Zur geplanten Ver­fas­sungsän­derung im Zuge der möglichen Ein­führung ein­er Schulden­bremse:

Wir brauchen eine gesellschaftliche Ver­fas­sungs­de­bat­te in Sach­sen. Eine Debat­te zur Änderung der Ver­fas­sung, die nur von den Inter­essen der Koali­tion­sparteien fol­gt, würde im Ergeb­nis die Ver­fas­sung des Freis­taates Sach­sen beschädi­gen. Deshalb schlägt DIE LINKE. Sach­sen vor, einen Ver­fas­sungskon­vent einzu­berufen. Zwei Jahrzehnte nach Ver­ab­schiedung der Ver­fas­sung, unter Umge­hung eines schon damals von uns geforderten Volk­sentschei­des über diese, sind deren notwendi­ge Verän­derun­gen in ein­er offe­nen gesellschaftlichen Debat­te zu disku­tieren.

Bere­its am am 10. März 2012 haben der Lan­desvor­stand und die Kreisvor­sitzen­den gemein­sam auf ihrer Beratung einen Beschluss zum poli­tis­chen Agieren der LINKEN Sach­sen im Rah­men der Ver­fas­sungs­de­bat­te in Sach­sen gefasst.

Dazu gehört auch unser Vorschlag, eine sog. Pri­vatisierungs­bremse in die Ver­fas­sung aufzunehmen. Wir wollen dadurch erre­ichen, dass über die Veräußerung von wesentlichen Ein­rich­tun­gen und Struk­turen der öffentlichen Daseinsvor­sorge in jedem Einzelfall auf der Ebene des Lan­des ein Volk­sentscheid und auf der Ebene der Kom­munen ein Bürg­er­entscheid durchge­führt wer­den muss.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: www.dielinke-Sachsen.de

Mein Rede zur Pressekon­ferenz am 13. März 2012 zur Vorstel­lung der Änderungswün­sche zur Ver­fas­sung

Sehr geehrte Damen und Her­ren,

vie­len Dank, dass Sie heute gekom­men sind.

Die säch­sis­che Ver­fas­sung ist in viel­er­lei Hin­sicht gut und fortschrit­tlich – mehr als ein Dutzend Mal hat der Ver­fas­sungs­gericht­shof in Leipzig nach Kla­gen mit Beteili­gung unser­er Land­tags­frak­tion oder von uns allein unter Beru­fung auf die Lan­desver­fas­sung grun­drechts­feindliche Poli­tik der Staat­sregierung oder der Regierungstra­gen­den Frak­tio­nen kor­rigiert.

Das spricht nicht nur für die intak­te Unab­hängigkeit des höch­sten säch­sis­chen Gerichts, son­dern auch für die Qual­ität unseres „säch­sis­chen Grundge­set­zes“. Deshalb kann es aus unser­er Sicht nur um eine zeit­gemäße Weit­er­en­twick­lung gehen, die dem Geist unser­er Lan­desver­fas­sung gerecht wird.

Die säch­sis­che Koali­tion plant, noch im Jahr 2012 eine soge­nan­nte „Schulden­bremse“ in die säch­sis­che Ver­fas­sung aufzunehmen, mit der der Haushalt­saus­gle­ich durch Kred­i­tauf­nah­men nur noch in eng begren­zten Aus­nah­me­fällen ermöglicht wer­den soll. Dieses Kred­itver­bot im Ver­fas­sungsrang hat momen­tan kein­er­lei prak­tis­che Bedeu­tung, da Sach­sen seinen Staat­shaushalt schon seit 2006 nicht durch Kred­i­tauf­nah­men aus­gle­icht. Außer­dem ver­bi­etet die 2009 einge­führte Schulden­bremse im Grundge­setz den Län­dern ab 2020 ohne­hin einen Kred­it-finanzierten Haushal­taus­gle­ich. Aus­nah­men sind nur noch in kon­junk­turellen Not­si­t­u­a­tio­nen und bei Naturkatas­tro­phen und nur mit Tilgungs­plan zuläs­sig.

Die „Schulden­bremse“ in der Ver­fas­sung hat deshalb in Sach­sen vor allem ide­ol­o­gis­che Bedeu­tung. Sie repräsen­tiert das neolib­erale Dog­ma der schwarz-gel­ben Regierung.

Ander­seits sind die Begriffe  „Schulden­ver­bot“ und „Schulden­bremse“  auch und ger­ade Nichtvolk­swirten sehr eingängig.

DIE LINKE. Sach­sen ste­ht für eine solide Haushalt­spoli­tik. Die sichere Finanzierung der Auf­gaben des Freis­taates Sach­sen und der säch­sis­chen Kom­munen ist eine der wichtig­sten Her­aus­forderun­gen für Poli­tik­erin­nen und Poli­tik­er im Land. Dem stellen wir uns als Frak­tion schon seit vie­len Jahren im Säch­sis­chen Land­tag, weil all unsere alter­na­tiv­en Haushalte immer ohne zusät­zliche Schulden aus­gekom­men sind. Für uns war und ist jedoch entschei­dend ob mit dem Haushalt­sansatz eine Real­isier­barkeit der in der Ver­fas­sung niedergeschrieben Sozial­staatsverpflich­tung möglich ist, daran muss sich der Lan­deshaushalt messen lassen.

Diese Woche, genauer gesagt mor­gen, tre­f­fen sich die fünf Frak­tionsvor­sitzen­den der demokratis­chen Frak­tio­nen ein zweites Mal, um miteinan­der ins Gespräch zu kom­men über die Auf­nahme ein­er so genan­nten “Schulden­bremse” in die Ver­fas­sung des Freis­taates Sach­sen und ggf. ander­er Ergänzun­gen der Lan­desver­fas­sung.

Mein Frak­tionsvor­sitzen­der, Dr. André Hahn hat Ihnen am Son­ntag die Posi­tio­nen der Land­tags­frak­tion, die am Sonnabend durch die Lan­desvor­standsmit­glieder und die Kreisvor­sitzen­den bestätigt wur­den, über­mit­telt.

Ich will die Punk­te der Frak­tion DIE LINKE noch ein­mal kurz erwäh­nen:

 

a) Direk­te Demokratie und Mitbes­tim­mung (u.a. Quoren Volks­ge­set­zge­bung, Absenkung Wahlal­ter, Stel­len­wert neuer Medi­en)

b) Erweiterung Ver­band­srechte / Ver­band­skla­gen

c) Auf­nahme Diskri­m­inierungsver­bot für Men­schen mit Behin­derung im Art. 18 (3)

d) Umset­zung der UN-Kinder­recht­skon­ven­tion in der Lan­desver­fas­sung

e) Konkretisierung des Sozial­staat­sprinzips (Erweiterung der Vor­gaben zur Auf­stel­lung und Aus­führung des Haushalt­s­plans um das Ziel ein­er gerecht­en Sozialord­nung mit aus­re­ichen­der Finanzierung)

f)  Verpflich­tung zur Vor­lage eines Nach­tragshaushalts bei gravieren­den Abwe­ichun­gen vom beschlosse­nen Haushalts-Plan

g) Auf­nahme eines Staat­sziels, dass es Pflicht des Lan­des und Verpflich­tung aller im Land ist, ras­sis­tis­che, frem­den­feindliche und anti­semi­tis­che Aktiv­itäten sowie eine Wieder­bele­bung und Ver­bre­itung nation­al­sozial­is­tis­chen Gedankengutes nicht zuzu­lassen.

 

Soweit die Punk­te, die mor­gen in die Ver­hand­lung durch meine Frak­tion einge­bracht­en wer­den.

Der Lan­desvor­stand der LINKEN und die Kreisvor­sitzen­den der LINKEN in Sach­sen waren sich jedoch darin einig, dass die Verän­derung der Ver­fas­sung des Freis­taates Sach­sen eine Auf­gabe ist, die Gegen­stand ein­er gesellschaftlichen Debat­te sein muss. Dabei ist es nicht zure­ichend, von den Par­tiku­lar­in­ter­essen der Koali­tions- und anderen demokratis­chen Par­la­mentsparteien auszuge­hen. Vielmehr hält es DIE LINKE. Sach­sen für notwendig, die in den let­zten Jahrzehn­ten von ver­schiede­nen gesellschaftlichen Kräften vorgeschla­ge­nen Änderun­gen der Ver­fas­sung ergeb­nisof­fen zu disku­tieren.

Aus Respekt vor dem Sou­verän der Bevölkerung Sach­sens und vor der Ver­fas­sung des Freis­taates ist es geboten, die Diskus­sion über den par­la­men­tarischen Raum und dessen Hin­terz­im­mer hin­aus zu führen, deswe­gen schlägt DIE LINKE. Sach­sen vor, einen Ver­fas­sungskon­vent einzuset­zen, in dem die VertreterIn­nen der demokratis­chen Parteien mit sachver­ständi­gen Bürg­erin­nen und Bürg­ern Sach­sens über die Änderung der Säch­sis­chen Ver­fas­sung berat­en. Da die säch­sis­che Ver­fas­sung in diesem Jahr zwanzig Jahre alt wird, wäre dies, ein geeigneter Zeit­punkt eine aus­führliche und öffentliche Debat­te über notwendi­ge Mod­ernisierung unser­er säch­sis­chen Ver­fas­sung zu führen.

Die Bürg­erin­nen und Bürg­er wer­den in den näch­sten Wochen das Gefühl bekom­men, dass im säch­sis­chen Land­tag ein Han­del betrieben wird, den viele noch aus der DDR ken­nen: Ich habe was, was Du brauchst und Du hast was, was ich benötige, wollen wir nicht tauschen? Wahrschein­lich wer­den Sachar­gu­mente nur schw­er zu vernehmen sein. Auch aus diesem Grund sind wir der Mei­n­ung, die Debat­te im Rah­men eines Ver­fas­sungskon­ventes zu führen. Dass die Ergeb­nisse eines solchen Ver­fas­sungskon­vents entsprechend Artikel 74 Absatz 3 der Ver­fas­sung des Freis­taats Sach­sen durch einen Volk­sentscheid bestätigt wer­den müssen, gehört selb­stver­ständlich zu dieser Über­legung ein­er öffentlichen Diskus­sion zur Änderung der Ver­fas­sung zu führen dazu.

 

Welche Notwendigkeit­en DIE LINKE. Sach­sen zur Mod­ernisierung der Ver­fas­sung im Freis­taat Sach­sen sieht, kön­nen Sie im Beschluss des Lan­desvor­standes vom ver­gan­gen Sonnabend in den Punk­ten a bis k nach­le­sen.

Ich will auf einen Vorschlag etwas aus­führlich­er einge­hen, unseren Vorschlag zur Ein­führung ein­er Pri­vatisierungs­bremse in die Ver­fas­sung aufzunehmen.

Dass die Forderung nach ein­er Pri­vatisierungs­bremse sich seman­tisch auf der gle­ichen Ebene wie die „Schulden­bremse“ bewegt, ist kein Zufall, son­dern von uns beab­sichtigt, weil wenn Land und Kom­munen die Kred­i­tauf­nahme zum Haushalt­saus­gle­ich ver­wehrt wird, steigt objek­tiv der Pri­vatisierungs­druck, um (Sofort-)Einnahmen zu erzie­len und (langfristige) Aus­gaben zu ver­mei­den. Die Pri­vatisierungs­bremse kann deshalb eine langfristige Wirkung der Schulden­bremse zu Las­ten des öffentlichen Eigen­tums ver­mei­den.

Die LINKE war und ist immer die Vertei­di­gerin des öffentlichen Eigen­tums gewe­sen und wird es weit­er sein. Und wenn Mit­glieder mein­er Partei doch mal ander­er Mei­n­ung sein, dann haben Sie ja in Dres­den erlebt, dass wir uns damit inten­siv auseinan­der­set­zten und die notwendi­gen Kon­se­quen­zen ziehen.

Es gibt in Deutsch­land bere­its ein (geplantes) Ref­eren­zpro­jekt für eine „Pri­vatisierungs­bremse“. Im rot-grü­nen Koali­tionsver­trag in Bre­men ste­ht:

„Wir wollen in der Lan­desver­fas­sung festschreiben, dass über die Veräußerung von wesentlichen Teilen der öffentlichen Daseinsvor­sorge ein Volk­sentscheid durchge­führt wer­den muss.“

Das heißt, die „Pri­vatisierungs­bremse“ macht Pri­vatisierun­gen nicht gän­zlich unmöglich  (wie ja auch „Schulden­bremse“ Kred­i­tauf­nah­men nicht voll­ständig auss­chließt), aber sie set­zt davor eine sehr hohe direk­t­demokratis­che Hürde.

Da Sach­sen im Unter­schied zu Bre­men kein Stadt­staat ist, wäre hier sin­nvoller­weise eine dop­pelte Pri­vatisierungs­bremse vorzuschla­gen, näm­lich oblig­a­torische Volk­sentschei­de bei Pri­vatisierun­gen von Staats­be­trieben und anderem wesentlichem öffentlichen Eigen­tum auf Lan­desebene (einzuord­nen in Art. 93 ff.) und oblig­a­torische Bürg­er­entschei­de für Pri­vatisierun­gen von Unternehmen und Ein­rich­tun­gen der Daseinsvor­sorge auf kom­mu­naler Ebene (in Art.84 ff.).

Damit würde aus Sicht der LINKEN der Forderung nach mehr unmit­tel­bar­er Bürg­erIn­nen­beteili­gung und direk­ter Demokratie nachgekom­men, und das Ver­fahren zur Durch­führung von Volks- und Bürg­er­entschei­den würde sich jen­seits des bloßen Feilschens um Unter­schriften­quoren, welch­es in ein­er bre­it­en Öffentlichkeit kaum noch ver­standen, geschweige denn aktiv nachvol­l­zo­gen wird, abspie­len und vere­in­facht.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch mal daraufhin­weisen, dass wir durch die Ein­führung ein­er soge­nan­nten „Schulden­bremse“ das Ziel ein­er gerecht­en Sozialord­nung stark gefährdet sehen. Deswe­gen schlägt DIE LINKE. Sach­sen vor, die Sozial­staatsverpflich­tung des Freis­taats Sach­sen her­vorzuheben und näher auszugestal­ten. Der Freis­taat Sach­sen soll durch seine Ver­fas­sung zur Her­stel­lung und Erhal­tung ein­er gerecht­en Sozialord­nung, ins­beson­dere zum Aus­gle­ich der sozialen Gegen­sätze und zur Gewährleis­tung sozialer Sicher­heit verpflichtet wer­den. Die Anerken­nung des Rechts auf ein men­schen­würdi­ges Dasein gemäß Artikel 7 der Säch­sis­chen Ver­fas­sung muss binden­des, real­isiertes Staat­sziel wer­den.

 

 

Ich fasse zusam­men:

Die LINKE. Sach­sen hat sich auf ihrem let­zten Lan­desparteitag dazu bekan­nt, radikal linke Realpoli­tik zu machen, deswe­gen schla­gen wir vor:

1. Einen Ver­fas­sungskon­vent einzu­berufen, weil wir eine gesellschaftliche Ver­fas­sungs­de­bat­te in Sach­sen brauchen und diese Debat­te muss rein in die Gesellschaft!

2. Unsere Forderung ist nicht, die „Schulden­bremse“ in die Ver­fas­sung aufzunehmen, son­dern eine „Pri­vatisierungs­bremse“, genauer eine dop­pelte „Pri­vatisierungs­bremse“, um staatlich­es und kom­mu­nales Eigen­tum nach­fol­gen­den Gen­er­a­tio­nen als Gestal­tungsmit­tel zu erhal­ten.