LINKE will „Rasse“ aus Sachsens Landesverfassung streichen lassen – Bekenntnis zu Weltoffenheit verankern

Zur 1. Lesung des Geset­zen­twur­fes „für ein tol­er­antes und friedlich­es Zusam­men­leben in einem weltof­fe­nen Sach­sen“:

 

Der Land­tagspräsi­dent hat uns nun schon mehrfach darauf hingewiesen, dass vor 25 Jahren die säch­sis­che Ver­fas­sung durch den Land­tag ver­ab­schiedet wor­den ist. Die war tat­säch­lich zum dama­li­gen Zeit­punkt an vie­len Stellen mod­ern und zeit­gemäß, aber liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen nichts ist so gut, als das man es nicht verbessern kön­nte.

Es geht in unserem Geset­zen­twurf um die Änderung der säch­sis­chen Lan­desver­fas­sung.

Es geht um ein tol­er­antes und friedlich­es Zusam­men­leben in einem weltof­fe­nen Sach­sen, so heißt der Geset­zesti­tel,

Ich möchte meine Rede Her­rn Stef­fen Flath, dem ehe­ma­li­gen Frak­tionsvor­sitzen­den der CDU hier im Land­tag, wid­men. Er war, bei der bish­er einzi­gen Änderung der Säch­sis­chen Ver­fas­sung seit 1992, ein fair­er und ver­lässlich­er Ver­hand­lungspart­ner.

Diese Änderun­gen wur­den 2013 beschlossen. Die meis­ten von Ihnen kön­nen sich sich­er noch erin­nern — es ging um die säch­sis­che Finanzver­fas­sung. Ein Punkt war die soge­nan­nte Schulden­bremse, ein zweit­er war die Beach­tung des Prinzips des sozialen Aus­gle­ichs bei der Auf­stel­lung des Haushalts und die kom­plette Kosten­er­stat­tung für die Kom­munen, wenn ihnen Auf­gaben vom Land über­tra­gen wer­den.

In der let­zten Wahlpe­ri­ode bestand zwis­chen den beteiligten Frak­tio­nen Ein­vernehmen darüber, dass „zunächst“ nur über die Finanzver­fas­sung gere­det wird. Denn man kann ja nicht über alles gle­ichzeit­ig reden und zu Ergeb­nis­sen kom­men.

Heißt also, es war eben­so Kon­sens, dass weit­er­führen­der Änderungs­be­darf beste­ht. Denn bere­its Erich Ilt­gen, als langjähriger säch­sis­ch­er Land­tagspräsi­dent hat­te eine Ver­ständi­gung aller Frak­tio­nen zur Absenkung der über­ho­hen Hür­den der Volks­ge­set­zge­bung angemah­nt und damit mehr direk­te Demokratie gefordert.

Wie die Vertreter der anderen demokratis­chen Frak­tio­nen, die bei den entsprechen­den Tre­f­fen vor der let­zten Land­tagswahl dabei waren, bestäti­gen kön­nen, war auch Herr Flath für weit­ere Gespräche offen. Nun führte Her­rn Flath seine Leben­s­pla­nung aus dem Land­tag her­aus, so dass ich, wie die anderen Frak­tio­nen auch, gezwun­gen war, seinen Nach­fol­ger, Frank Kupfer zu kon­sul­tieren. Der schlug das poli­tis­che Erbe seines Vorgängers aus und antwortete schlicht: Nein.

Vielle­icht haben Sie ja vorher mit Marko Schie­mann gesprochen? Ist doch bekan­nt, dass Herr Schie­mann als ein­er der Ver­fas­sungsväter von 1992 der Mei­n­ung ist, die Ver­fas­sung sei so etwas wie die Bibel und dürfe nicht geän­dert wer­den. Doch selb­st die Bibel wird immer wieder neu über­set­zt und in die jew­eilige Gegen­wartssprache über­tra­gen. Genau das wün­schen wir uns auch von unser­er Säch­sis­chen Ver­fas­sung: Es geht nicht darum, den Inhalt zu ändern, son­dern darum die Ver­fas­sung einem zeit­gemäßen Update zu unterziehen. Genau das ist das Ziel unseres vor­liegen­den Geset­zen­twur­fes, den wir Ihnen heute mit der 1. Lesung präsen­tieren.

Unsere Ver­fas­sung­sor­d­nung bes­timmt den Freis­taat Sach­sen als ein von Weltof­fen­heit, demokratis­chem Umgang miteinan­der und Tol­er­anz getra­genes friedlich­es Land. In diesem Sinne engagieren sich unzäh­lige Men­schen und Ini­tia­tiv­en.

Tat­sache ist aber auch, dass frem­den­feindliche und anti­demokratis­che Kräfte vor allem in den let­zten bei­den Jahren stark zugenom­men haben. Deshalb müssen die beson­ders ange­grif­f­e­nen Grundw­erte der Lan­desver­fas­sung nochmals verdeut­licht wer­den.

Das soll durch den neuen Artikel 7a geschehen, der dem Schutz des friedlichen Zusam­men­lebens und der Gewalt­frei­heit gewid­met ist.

In den Artikeln 18 und 116 wollen wir das his­torisch über­holte Wort „Rasse“ her­aus­nehmen und der Text entsprechend ändern.

Zugle­ich wer­den die sex­uelle Iden­tität und die Behin­derung bzw. Beein­träch­ti­gung aus­drück­lich genan­nt. Das fehlt bish­er im Artikel 18 im Bere­ich „Grun­drechte“.

Es ist aber nur logisch und im Sinn der Ver­fas­sung, auch die Benachteili­gung wegen sex­ueller Iden­tität und Behin­derung zu ver­bi­eten. Denn in dieser Ver­fas­sung, näm­lich im Artikel 116, wird der Anspruch auf Wiedergut­machung auch den­jeni­gen zuge­sprochen, die wegen gle­ichgeschlechtlich­er Ori­en­tierung oder wegen Behin­derung Opfer von Gewaltherrschaft gewor­den sind. Damit muss ein solch­er Diskri­m­inierungss­chutz auch für die Gegen­wart gel­ten.

Im Vor­feld war hier im Haus zu vernehmen, es han­dele sich um ein „Regen­bo­gen-Gesetz“. Das klingt immer­hin schon recht fre­undlich, greift jedoch zu kurz.

Sach­sen hat durch Erschei­n­un­gen von Men­schen­feindlichkeit in den ver­gan­genen zwei Jahren erhe­blichen Schaden an seinem Ruf genom­men. Ein öffentlich wahrnehm­bares Sig­nal von Ver­fas­sungsrang gegen diese anti­hu­ma­nen Fehlen­twick­lun­gen stünde unserem Land gut zu Gesicht.

Dies stärkt zugle­ich all denen in Sach­sen den Rück­en, die täglich für Men­schlichkeit und Mit­ge­fühl Gesicht zeigen. Es reicht nicht, alle Jubel­jahre mal ein großes Fest für diese Men­schen zu ver­anstal­ten. Sie haben es ver­di­ent, dass der Staat ihnen die Treue hält – und dazu zählt diese Selb­stverpflich­tung in der Ver­fas­sung.

Die Stre­ichung des Wortes „Rasse“ wiederum bringt die Ver­fas­sung auf den neuesten Stand, dass es keine „Rassen“ von Men­schen gibt. Das Deutsche Insti­tut für Men­schen­rechte in Berlin fordert es, die Län­der Bran­den­burg und Thürin­gen haben die ver­fas­sungsrechtliche Kon­se­quenz bere­its gezo­gen und den Begriff der „Rasse“ aus der Lan­desver­fas­sung gestrichen.

Sie sehen, liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen, es gibt viele gute Gründe, diesen Geset­zen­twurf mit Wohlwollen durch die par­la­men­tarischen Beratun­gen zu begleit­en.

Wenn Sie weit­eren Argu­men­ta­tions­be­darf haben, so entsprechen wir dem gerne in den Auss­chüssen und der 2. Lesung.