Gewalt zur Durchsetzung von Politik ist nicht akzeptabel

Inter­view mit Jens Lehmann von der Mor­gen­post

Herr Geb­hardt, erst­mals seit 2003 will sich die Linke ein neues Grund­satzpro­gramm geben. Was wird sich ändern?
Es ist noch kein wirk­lich­es Grund­satzpro­gramm, son­dern Sozialpoli­tis­che Leitlin­ien. Die haben aber einen umfassenden Poli­tikansatz: Da geht es um Kul­tur, Bil­dung, Sport und Gle­ich­berech­ti­gung. Aus diesem Papi­er wollen wir im Laufe des Jahres 2012 ein Grund­satzpro­gramm erar­beit­en. Energiepoli­tis­che Leitlin­ien haben wir bere­its beschlossen, im Som­mer ein kul­tur­poli­tis­ches Leit­bild erar­beit­et. Und wir grün­de­ten ein Alter­na­tives Wirtschafts­fo­rum .Wirtschaft war bis­lang unser schwach­er Punkt, wo man uns bis­lang nicht viel zutraute.

War die PDS pro­gram­ma­tisch nicht schon mal viel weit­er?
Ach das weiß ich nicht. Es gab Debat­ten, wie die um Pri­vatschulen, die abgeschlossen waren. Die leben jet­zt wieder auf, gut. Aber let­ztlich disku­tiert die Linke immer. Weil wir auch immer vor neuen Voraus­set­zun­gen ste­hen.

Mit Kat­ja Kip­ping (33) und Diet­mar Pell­mann (60) haben Mit­glieder extremer Flügel die sozialen Leitlin­ien erar­beit­et. Wer gibt den Ton an in der Partei: Utopis­ten oder Real­is­ten?
Am Ende immer der Vor­stand. Ich selb­st habe bei­de gebeten das aufzuschreiben. Das Span­nungsver­hält­nis der Gen­er­a­tio­nen und die ver­schiede­nen Sichtweisen auf Poli­tik, haben eine gewisse Pro­duk­tiv­ität freige­set­zt. Kein­er von bei­den hat sich durchge­set­zt. Bei­de mussten nachgeben. Das Ergeb­nis kann sich sehen lassen: Es geht uns nicht mehr um einen nach­sor­gen­den Sozial­staat wie bish­er, son­dern um einen vor­sor­gen­den.

Aber über das „bedin­gungslose Grun­deinkom­men“ hat man sich nicht eini­gen kön­nen.
Das ist der einzige Punkt der ver­tragt wurde. Wir wer­den im 2012 darüber reden. Auch die Bun­de­sebene hat da noch keine Posi­tion. Ich übri­gens auch nicht.

Wer wird denn mit diesem Pro­gramm 2014 in die Land­tagswahl ziehen? André Hahn?
Über Per­son­al haben wir bis­lang wed­er nachgedacht, noch gere­det. Wir machen jet­zt unsere Posi­tio­nen klar und dann wird die Strate­gie gek­lärt, wie wir eine radikal linke Realpoli­tik in Sach­sen umset­zen kön­nen.

Mit wem gin­ge das?
Na, ich kann mir da nur zwei Part­ner vorstellen: SPD und Grüne. Da muss man Ver­trauen auf­bauen, über Inhalte und Per­so­n­en sprechen.

In Berlin hat die Linke bei den Sen­atswahlen kräftig ver­loren. Jun­gen Wäh­ler bleiben weg und wan­dern zu Pirat­en und Grü­nen ab. Ein Prob­lem was Sie auch in Sach­sen erwartet, oder?
Wir haben darauf schon 2004 und 2009 aufmerk­sam gemacht. Die Milieus ändern sich und es gibt neue Wäh­ler­schicht­en, die wed­er links noch bürg­er­lich sind, son­dern mehr der Umwelt- Demokratie oder Inter­net­be­we­gung ange­hören. Und einen anderen Poli­tikansatz haben. Das kann man in Dres­den oder Leipzig bere­its beobacht­en. Wir müssen daher neue Wäh­ler­schicht­en ansprechen. Das muss uns vor allem mit Per­son­al gelin­gen, mit jun­gen Leuten. Wir müssen offen­er sein für neue Ideen.

Neue Wäh­ler­grup­pen, weil Ihnen die alten weg­ster­ben — immer­hin hat die Linke einen Alterss­chnitt von 67 Jahren.
Alle Parteien haben das Prob­lem, auch die CDU. Ich hätte gern ver­schiedene Wäh­ler­schicht­en als Volkspartei — dazu gehören junge wie ältere Men­schen. Unser Ziel bleibt: Min­desten 25 Prozent der Stim­men zu holen und in Sach­sen zu regieren.

Was hal­ten Sie von dem CDU-Ange­bot, gemein­sam rund um den 13. Feb­ru­ar in Dres­den den Nazis gegenüberzutreten?
Ich habe großen Respekt vor diesem, Ange­bot. Es hat mich sehr pos­i­tiv über­rascht. Es ist ein Ange­bot, auf das wir nach­haltig und ern­sthaft reagieren müssen. Wenn die CDU sagt, es soll möglich sein, in Sicht- und Hör­weite zu den Nazis zu demon­stri­eren, dann bekom­men wir jet­zt das, was wir stets einge­fordert haben.

Dis­tanzieren Sie sich denn Ihrer­seits von gewalt­täti­gen Ran­dalieren an Block­aden?
Ich hab immer gesagt: Steine schmeißende Demon­stran­ten, die auch Polizis­ten angreifen, haben nicht unsere Sym­pa­thien. Dazu ste­he ich und meine Partei als Ganzes. Gewalt zur Durch­set­zung von Poli­tik ist inakzept­abel.

Gilt das auch für Block­aden?
Da haben wir einen Dis­sens. Friedliche Block­aden, wie sie 2010 und 2011 stattge­fun­den haben, halte ich für ein zivilge­sellschaftlich­es Mit­tel, was man ein­set­zen kann.

Auch wenn man damit gegen gel­tendes Recht ver­stößt?
Ich sage aus­drück­lich als zivilge­sellschaftlich­es Mit­tel! Es gibt eine große Bere­itschaft aus der Gesellschaft her­aus, diese Art des friedlichen Protestes im Kampf gegen Nazis zu akzep­tieren.