Rede Kleiner Landesparteitag am 16. Juni 2012

Liebe Genossin­nen und Genossen,

zuerst möchte ich uns allen zum Geburt­stag grat­ulieren. Genau heute vor 5 Jahren am 16. Juni 2007 beschlossen WASG und PDS auf dem Grün­dungsparteitag in Berlin die Grün­dung der neuen Partei DIE LINKE.

Fünf Jahre nach unser­er Grün­dung ste­hen wir vor der gemein­samen großen Auf­gabe, einen neuen Auf­bruch für DIE LINKE zu organ­isieren.
Diesen Auf­bruch schulden wir allen, die uns bish­er an den Wahlur­nen ihr Ver­trauen geschenkt haben, die auf unsere Wider­ständigkeit hof­fen, und die dazu bere­it sind, selb­st für ihre poli­tis­chen, sozialen und kul­turellen Rechte aufzuste­hen.
Wir feiern unseren Geburt­stag in ein­er Zeit, in der es gilt, das Ver­sprechen, das wir vor fünf Jahren gegeben haben, einzulösen.
Wir haben zusam­men die Poli­tik in Deutsch­land verän­dert.
Wir bleiben zusam­men, weil wir das Land gemein­sam sozialer, gerechter und friedlich­er machen wollen. Das, ist auch ein Ergeb­nis des Göt­tinger Parteitages vor 14 Tagen.
Liebe Genossin­nen und Genossen,
lieber Karl Nolle,
zu Beginn möchte ich die Gele­gen­heit nutzen, Euch ganz her­zliche Grüße unser­er neuen Parteivor­sitzen­den, also von Kat­ja Kip­ping zu über­brin­gen!

Lei­der kann Kat­ja heute nicht hier in Sach­sen sein, da gle­ichzeit­ig in Berlin das Fest der LINKEN – also unsere Geburt­stagspar­ty – stat­tfind­et. Ich denke, dass sie als Vor­sitzende dort richtig aufge­hoben ist.
Als wir diesen Kleinen Parteitag mit seinen Auf­gaben planten, war ja nicht abzuse­hen, dass wir heute eine Parteivor­sitzende haben wür­den, die aus unserem Lan­desver­band kommt. Und das ist etwas worauf ich, worauf wir alle mächtig stolz sein kön­nen!

Auch wenn es aus der Posi­tion eines Lan­desvor­sitzen­den vielle­icht etwas merk­würdig scheint, möchte ich dazu doch noch ein paar Gedanken äußeren. Ich hoffe, dass ihr mir das nicht übel nehmt.
Ich kenne Kat­ja ja nun fast seit dem Anfang ihrer poli­tis­chen Lauf­bahn, noch vom Ende der neun­ziger Jahre, als ich Lan­des­geschäfts­führer wurde und Kat­ja Stadträtin in Dres­den, später dann Land­tagsab­ge­ord­nete und stel­lv. Parteivor­sitzende der PDS wurde.

Wir haben also einen lan­gen Weg, nun schon fast 15 Jahre, gemein­sam zurück­gelegt.
Wir hat­ten nicht immer die gle­ichen Ansicht­en und das wird, — wie das mein­er Mei­n­ung nach nor­mal ist -, auch in Zukun­ft nicht immer der Fall sein. Aber eines ist vielle­icht mit der Wahl von Kat­ja, jen­seits dessen, dass sie eine tolle Poli­tik­erin ist, für unsere Partei am wichtig­sten:
Dass näm­lich die säch­sis­chen Erfahrun­gen, wie man mit poli­tis­chen Unter­schieden und manch­mal auch nicht ganz so kleinen Inter­essenkon­flik­ten so umge­ht, dass es für die Bun­despartei nicht von Schaden, in der all­ge­meinen Ten­denz sog­ar zum Guten ist.

Wenn wir ganz ehrlich sind, dann wis­sen wir, dass unsere plu­ral­is­tis­che LINKE niemals durch noch so gute, kom­pro­mis­s­re­iche BESCHLÜSSE die notwendi­ge Min­dest­ge­mein­samkeit erre­icht. Vielmehr steckt immer harte Arbeit dahin­ter, wenn wir erfol­gre­ich gezeigt haben, dass wir die Partei sind, die die soziale Frage im Sinne der Her­stel­lung sozialer Gerechtigkeit in ihrem Mit­telpunkt zu ste­hen hat. Und es bleibt dabei, die soziale Frage bedarf IMMER ein­er konkreten Antwort, immer ein­er Antwort, die ganz nah an den Men­schen mit ihren Prob­le­men und Bedürfnis­sen, Hoff­nun­gen, Sor­gen und Nöten ist.
Eine LINKE, die vor allem oder auss­chließlich mit Losun­gen auf soziale Prob­leme antwortet, wird ihre gesellschaftliche Ver­wurzelung ver­lieren.

Aber genau diese harte Arbeit, die unendlich vie­len Gespräche, Diskus­sio­nen, unsere Fähigkeit, Zuzuhören – genau das wird uns auch in der Partei die notwendi­ge Geschlossen­heit brin­gen, denn die gesellschaftliche Wirk­lichkeit bleibt ein unhin­terge­hbar­er Fakt.

Und deshalb zitiere ich hier einen Gedanken von Karl Marx, der zur Grund­lage all unser­er poli­tis­chen Arbeit in Sach­sen gewor­den ist:

„In der Prax­is muss der Men­sch die Wahrheit, (also) die Wirk­lichkeit und Macht, (die) Dies­seit­igkeit seines Denkens beweisen.“

Und das ist deshalb auch die Grund­lage für jede poli­tis­che Strate­gie, die erfol­gre­ich sein will. Sei es für die Strate­gie unseres öffentlichen Wirkens oder zu den näch­sten Bun­destags- oder Land­tagswahlen. Noch so viele kluge Gedanken von noch klügeren Leuten wer­den fehl gehen, wenn sie nicht von der materiellen Wirk­lichkeit, vom gesellschaftlichen Sein aus­ge­hen. Darum geht es!

An dieser Stelle will ich dem Lan­desvor­sitzen­den aus Nieder­sach­sen, Man­fred Sohn, zus­tim­men, wenn er sin­ngemäß sagte:
„Per­son­al­prob­leme und –debat­ten sind nicht Ursache, son­dern Aus­druck der Prob­leme ein­er Partei“

Denn es ist wichtig, nicht Ursache und Wirkung zu ver­wech­seln, wenn man seine Prob­leme lösen will. Dazu sei ange­merkt, dass das gesellschaftliche Bünd­nis, das am Anfang des Jahrtausends im Wider­stand gegen die AGEN­DA-Poli­tik von SPD und Grü­nen ent­standen ist, inzwis­chen im besten Falle nur noch teil­weise existiert. Damals erzeugte der Protest und Wider­stand ein Bünd­nis zwis­chen unmit­tel­bar vom Sozial­ab­bau betrof­fe­nen, heute benutzt man das unschöne Wort der Prekarisierten, der von diesem Sozial­ab­bau bedro­ht­en Men­schen, z.B. gut bezahlten Fachar­bei­t­erIn­nen, deren Ver­sicherungsanspruch auf ein Arbeit­slosen­geld in Abhängigkeit von Höhe und Dauer der Ein­zahlung vol­lkom­men willkür­lich auf ein Jahr gekürzt wurde und dass sich aus­drück­te in der Aktiv­ität von Gew­erkschafts­ba­sis bis Gew­erkschafts­führung, von linken (inzwis­chen häu­fig ehe­ma­li­gen) SozialdemokratIn­nen, der PDS und gesellschaftlichen Bewe­gun­gen. Dieses Bünd­nis, dass auf Grund konkreter poli­tis­ch­er Aktiv­itäten in der Gesellschaft ent­standen ist und das ein wesentlich­er Grund nicht nur für die Erfolge, son­dern sog­ar für die Entste­hung unser­er Partei bildete, ist in dieser Form nahezu nicht mehr vorhan­den.
Nun will ich das nicht weit­er aus­führen, eine strate­gisch grundle­gende Analyse vorzule­gen, ist immer noch Auf­gabe des Bun­desvor­standes und ich bin mir inzwis­chen sich­er, dass dies auch ver­standen wurde. Und auch damit meine ich nicht motivierende Reden oder pri­ma Losun­gen, son­dern die Mühe der Ebene, die Kär­rner­ar­beit, die in der Zuwen­dung zur gesellschaftlichen Wirk­lichkeit beste­ht.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

nun ist mit Kat­ja Kip­ping nicht nur eine Sächsin Parteivor­sitzende, son­dern sieben weit­ere Mit­glieder des Parteivor­standes sind Mit­glieder unseres Lan­desver­ban­des.
Im Vor­feld wurde ich und wurde der Lan­desvor­stand kri­tisiert, ob das nicht anmaßend sei oder gar tak­tisch dumm, so viele GenossIn­nen vorzuschla­gen und zu unter­stützen. In der Tat ist es ja etwas ungewöhn­lich, dass der Lan­desvor­stand 9 Kan­di­da­turen unter­stütze, ins­ge­samt 11 Sach­sen kan­di­dierten und am Ende 8 gewählt wur­den, eine, neben­bei bemerkt, her­aus­ra­gende Quote, die alle Kri­tik­er der tak­tis­chen Vorge­hensweise nach­den­klich machen sollte.

Wie kamen wir auf den Gedanken?
Erstens natür­lich, weil in unserem Lan­desver­band die jahre­lange Arbeit auch auf per­son­alpoli­tis­chem Gebi­et inzwis­chen Früchte trägt. Nicht, dass alles in But­ter ist, keine Frage, uns aber doch im Ver­gle­ich zum Beispiel zu unseren anderen ost­deutschen Part­nerver­bän­den ganz gut daste­hen lässt.

Nehmen wir doch mal die vie­len, klu­gen Frauen aller Gen­er­a­tio­nen, die in unserem Lan­desver­band Auf­gaben und Ver­ant­wor­tung – am Ende auch hier: harte Arbeit, über­nom­men haben.
Da darf ich gar nicht anfan­gen, einzelne Namen aufzuzählen, weil ich dann weit über meine Redezeit kom­men würde und trotz­dem jeman­den ver­let­zen würde, weil die Zeit nicht reicht. Schaut Euch doch mal an, was wir für eine Super-Auswahl bei den Wahlen zum Lan­desvor­stand hat­ten! Und da sind von den 11 Spitzen­frauen auch nur drei Abge­ord­nete dabei.

Im Land­tag sind noch ein paar mehr, aber auch, und das ist viel wichtiger, auch auf der Eben der Kreise und Städte!
Und im Jugend­ver­band zeigen sich wieder und weit­er tolle, engagierte, kluge junge Frauen, die die näch­ste Welle bilden wer­den!
Ja, ohne in Jubel auszubrechen und alles kri­tik­los toll zu find­en, ihr wisst, dass ich ohne­hin nicht dazu neige, aber hier haben wir etwas als Lan­desver­band vorzuweisen.

Von unseren 8 Parteivor­standsmit­gliedern aus Sach­sen sind 6 Frauen! Ja, es war und ist richtig, dieses Ange­bot zu unter­bre­it­en, und zwar natür­lich per­son­ell, aber auch method­isch und inhaltlich, deshalb hat es uns der Parteitag auch gedankt und hat unser Ange­bot angenom­men.

Zweit­ens aber ste­ht nicht nur die Geschlechter­frage son­dern auch die Frage der Repräsen­ta­tion und der poli­tis­chen Erfahrun­gen hin­ter der Bre­ite unseres Ange­botes. Denn es ist ein Und­ing, auf der einen Seite zu jam­mern, dass ost­deutsche Erfahrun­gen und Poli­tikan­sätze unter­repräsen­tiert seien in der Parteispitze, das zwei Drit­tel der Mit­glieder nur min­der­heitlich im Vor­stand vertreten seien, dass die Bun­deslän­der mit den mit Abstand besten Wahlergeb­nis­sen und der deut­lich tief­er­en gesellschaftlichen Ver­ankerung eben­so mar­gin­al­isiert seien, aber dann diesem Prob­lem keine Abhil­fe ver­schaf­fen zu wollen.

Ihr kön­nt mir glauben, dass ich nicht nur mit Engel­szun­gen mit den VertreterIn­nen der anderen ost­deutschen Lan­desver­bände in dieser Frage disku­tiert habe. Trotz­dem, und ich nenne jet­zt keine Län­der­na­men, hat ein Ost-Lan­desver­band ger­ade mal EINEN Kan­di­dat­en für den PV gestellt, ein ander­er ger­ade mal ZWEI usw.
Ja, wir Sach­sen haben Ver­ant­wor­tung über­nom­men, ost­deutsche Poli­tik­er­fahrun­gen in ihrer ganzen Bre­ite, also vom kom­mu­nalen Amt bis zum Bun­destag, von der Erfahrung im Jun­gend­ver­band bis zur strate­gis­chen Parteiar­beit, von der Schülervertre­tung bis zur Gew­erkschaf­terin, von der Quell­partei WASG bis zu unseren SED-Wurzeln anzu­bi­eten.

Am heuti­gen Tage erlaube ich mir zu sagen: Weniger wäre in der konkreten Sit­u­a­tion ver­ant­wor­tungs­los gewe­sen.

Ich möchte es nicht ver­säu­men mich noch bei jenen Kan­di­datIn­nen für den PV bedanken, die nicht den Sprung in den Vor­stand geschafft haben, näm­lich Sabine Schil­ka, Rain­er Har­barth und Ralf Beck­er. Bei Sabine habe ich mich schriftlich für 2 Jahre – nicht immer leichte Arbeit im Parteivor­stand – auch in eurem Namen bedankt.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

zum Abschluss also nun die am Anfang mein­er Rede, also vor einiger Zeit ver­sproch­enen Grüße von Kat­ja Kip­ping:

„Liebe Genossin­nen und Genossen,

zuerst möchte ich mich bei Euch bedanken, nicht nur für die vie­len Glück­wün­sche und die große Unter­stützung, die ich aus mein­er poli­tis­chen Heimat, unserem Lan­desver­band DIE LINKE.Sachsen in den let­zten Wochen erhal­ten habe, son­dern auch für die fast immer kon­struk­tive Kri­tik, die min­destens eben­so notwendig ist, wenn man mit den Füßen auf der Erde bleiben will.
Noch wichtiger ist mir ger­ade heute jedoch auch der Dank für die vie­len Jahre gemein­samer poli­tis­ch­er Arbeit, in denen ich so viel ler­nen durfte, in denen ich so viel aus unseren gemein­samen Lebenser­fahrun­gen schöpfen kon­nte, dass ich nun den Mut dazu habe, in ein­er sehr schwieri­gen Sit­u­a­tion Ver­ant­wor­tung für unsere Partei als Vor­sitzende zu übernehmen.

Ich set­ze darauf, dass diese Wurzel meines poli­tis­chen Denkens und Han­delns weit­er lebendig bleibt, auch wenn ich in der Ver­ant­wor­tung für die ganze Partei vielle­icht etwas weniger Zeit haben werde, in Sach­sen zu sein. So, wie zum Beispiel am heuti­gen Tag, an dem ich als Parteivor­sitzende die Pflicht habe, am Fest der LINKEN in Berlin nicht nur teil zu nehmen, son­dern auch die eine oder andere Ver­anstal­tung abzu­sich­ern.

Da heute die Säch­sis­che Dop­pel­spitze zu den näch­sten Bun­destagswahlen durch Euch emp­fohlen wird und ich eine der zu Empfehlen­den sein soll, möchte ich auch dazu einige Bemerkun­gen machen.

Lasst uns diesen heuti­gen Tag zum Auf­takt eines erfol­gre­ichen Bun­destagswahlkampfes machen!
Lasst uns mit dem heuti­gen Tag wieder beweisen, dass DIE LINKE in diesem Land unverzicht­bar ist, dass wir die Partei der sozialen Gerechtigkeit und des Frieden sind!
Dass wir mit unseren prak­tis­chen Erfahrun­gen und unseren Visio­nen genau das sind, was dieses Land jet­zt braucht!
Dafür bitte ich Euch heute um Euer Votum für André Hahn und mich. Lasst uns gemein­sam auf­brechen für die Men­schen in diesem Land, in Europa und weltweit! Eine starke LINKE ist das Beste, was in diesem Land blühen muss.

Eure Kat­ja“

Soweit die mir über­mit­tel­ten Zeilen von Kat­ja.

An der Stelle muss ich nichts mehr hinzufü­gen und eröffne den 3. Kleinen Lan­desparteitag der LINKEN Sach­sen im Jahre 2012.