Demokratie- und Sozial-Förderung versus Fetisch „Schuldenverbot“ in Sachsen

Das größte Defiz­it in Sach­sen nach 22 Jahren unter CDU-Herrschaft – bis 2004 allein, bis 2009 mit SPD und sei­ther mit der FDP – ist der Man­gel an Bürg­erIn­nen­beteili­gung. Der ehe­ma­lige Min­is­ter­präsi­dent „König Kurt“ Biedenkopf ist zwar ein kluger Mann, was unbeschadet aller poli­tis­chen Dif­feren­zen anerkan­nt wer­den darf. Aber die Demokratie im Freis­taat trug seit sein­er Wieder­grün­dung 1990 monar­chis­tis­che Züge, und in viel­er­lei Hin­sicht wurde die rote durch eine schwarze Staatspartei erset­zt. Wenn auch mit einem markan­ten Unter­schied: Gegen die schwarze Staatspartei kann man vor dem Ver­fas­sungs­gericht kla­gen – was unsere Frak­tion, ob allein oder zusam­men mit anderen, weit mehr als ein Dutzend Mal erfol­gre­ich getan hat.

Einen Volk­sentscheid gab es dage­gen infolge der über­ho­hen Hür­den – inzwis­chen müssen wegen des Bevölkerungsrück­gangs 13 Prozent der Wahlberechtigten unter­schreiben, damit es zu sein­er solchen Abstim­mung kommt – in dieser Zeit erst ein einziges Mal. Damit wurde ein Sparkassen-Ver­bund unter Ein­beziehung der mit­tler­weile kol­la­bierten und notverkauften Lan­des­bank in die Schranken gewiesen. Verän­derung begann also in Sach­sen nicht unmaßge­blich mit ein­er Oppo­si­tion vor Gericht.

Im Land­tag ist die CDU auf Ablehnung von allem pro­gram­miert, was von links kommt. Den­noch ver­han­delt sie seit einem Dreiviertel­jahr mit uns über eine Reform der Lan­desver­fas­sung – eine wohl bun­desweit ein­ma­lige und einzi­gar­tige Kon­stel­la­tion. Außer­halb von Sach­sen wird diese Ver­hand­lungskom­mis­sion gele­gentlich mit Arg­wohn betra­chtet, weil sie auch über etwas redet, was für Linke eigentlich Teufel­szeug ist, Stich­wort „Schulden­ver­bot“.

Sach­sen hat­te struk­turell gegenüber den anderen neuen Bun­deslän­dern eine Rei­he von Startvorteilen, ins­beson­dere durch die höhere Industrie‑, Forschungs- und auch Bevölkerungs­dichte. Auch PDS bzw. LINKE haben deshalb zum nun­mehr siebten Mal in Folge einen alter­na­tiv­en Dop­pel­haushalts-Entwurf vorgelegt, der wie der Regierungsen­twurf ohne zusät­zliche bzw. gän­zlich ohne Neu­ver­schul­dung auskommt. Sach­sen hat in erster Lin­ie kein Einnahmen‑, son­dern ein Aus­gaben-Prob­lem – das Geld wird zu sehr in Beton und zu wenig in Köpfe investiert (auch wenn die CDU-Frak­tion in diesem Jahr erst­ma­lig in Großanzeigen das Gegen­teil behauptet).

Deshalb haben wir gesagt: Wir sind bere­it, erst mal ergeb­nisof­fen über ein Gesamt­paket von Änderungswün­schen bezüglich der Lan­desver­fas­sung zu ver­han­deln, zumal wir uns schon viele Jahre für eine Absenkung der Hür­den der direk­ten Demokratie in Sach­sen ein­set­zen, dabei aber stets die Block­ade der CDU zur Ken­nt­nis nehmen mussten – für Ver­fas­sungsän­derun­gen sind zwei Drit­tel der Stim­men im Par­la­ment notwendig, bei Totalver­weigerung der CDU läuft also nach den bish­eri­gen säch­sis­chen Wahlergeb­nis­sen nichts. Nun aber sahen sich CDU und FDP genötigt, wegen des von ihnen aus pop­ulis­tis­chen Grün­den gewün­scht­en „Schulden­ver­bots“ um Gespräche zu bit­ten, da sie ohne Ver­hand­lun­gen eben­falls keine Aus­sicht­en haben, eine Zwei-Drit­tel-Mehrheit zu erre­ichen.

Unsere Posi­tion, in Frak­tion und Partei in vie­len Gesprächen, Diskus­sio­nen und Beratun­gen erörtert, ist die: Auch für Sach­sen gilt schon bald die von der LINKEN aus grund­sät­zlichen Erwä­gun­gen der langfristi­gen Bewahrung staatlich­er Hand­lungs­fähigkeit abgelehnte „Schulden­bremse. Wenn es in den Ver­hand­lun­gen möglich sein sollte, eine „atmende Schulden­bremse“ zu ver­ankern, um den Sprachge­brauch der säch­sis­chen Grü­nen zu übernehmen, die für die Zukun­ft einen größeren Spiel­raum ermöglicht als die ohne­hin auf uns zuk­om­mende „Schulden­bremse“, dann kön­nte das ein vertret­bar­er „Preis“ für mehr direk­te Demokratie und die Stärkung von Grun­drecht­en in der Ver­fas­sung sein, für die Lan­despartei und Frak­tion in enger Abstim­mung einen Forderungskat­a­log erar­beit­et haben.

Anders als SPD und die Spitze der Grü­nen haben wir allerd­ings von Anfang an klar gemacht, dass wir nur über ein Gesamt­paket ver­han­deln und es auch für eine „atmende Schulden­bremse“, die erforder­lich­es finanzpoli­tis­ches Engage­ment des Staates in Krisen­zeit­en ermöglicht, keine Zus­tim­mung ohne eine Vere­in­barung über Ver­fas­sungsverän­derun­gen gibt, die die Bürg­erin­nen und Bürg­er wirk­lich brauchen, z. B. tat­säch­liche Bürg­er­beteili­gung auch auf Lan­desebene. Immer­hin ist die Ziel­rich­tung unseres Geset­zen­twur­fes zur Erle­ichterung von Volk­sentschei­den auch von einem renom­mierten, der CDU ange­hören­den Dres­d­ner Poli­tik­wis­senschaftler unter­stützt wor­den.

Anlässlich unseres jüng­sten Lan­desparteitages habe ich bekräftigt, dass eine Fort­set­zung der Ver­hand­lun­gen im Jahr 2013 für uns nur in Frage kommt, wenn par­al­lel und gle­ich­w­er­tig neben der Finanzfrage auch über Demokratie- und andere Fra­gen ver­han­delt wird. Das wurde von den Medi­en als „Ulti­ma­tum“ inter­pretiert. Von SPD und Grü­nen, die bei­de promi­nent auf unserem Parteitag als Gäste präsent waren, kamen mit­tler­weile ähn­liche Sig­nale, weshalb die „Säch­sis­che Zeitung“ kurz vor Wei­h­nacht­en resümierte: „Schulden­ver­bot schafft es nicht in die Ver­fas­sung“. Zwar „dro­hen“ CDU und FDP mit einem Volk­sentscheid über das Schulden­ver­bot, aber, heißt es am Schluss des Artikels, „Volksab­stim­mungen über haushalt­srechtliche Fra­gen sind laut Ver­fas­sung nicht möglich“.

So wer­den die Land­tag­wahlen 2014 eine Rich­tungsentschei­dung. Auf der einen Seite das CDU/FDP-„Lager“, das den Fetisch „Schulden­ver­bot“ pflegt, aber beim Schlüs­selthe­ma Bil­dung ekla­tant ver­sagt. Hier ist der ehe­ma­lige CDU-Kul­tus­min­is­ter Wöller Kro­nzeuge der Oppo­si­tion, der gegen den Bil­dungse­tat-Entwurf der Koali­tion für 2013/2014 stimmte. Der Ex-Kul­tus­min­is­ter  forderte schlicht, dass auch in Zukun­ft LehrerIn­nen vor der Klasse ste­hen soll­ten. Doch dafür reiche das Geld im  Haushalt­s­plan  nicht aus. „Zwar gibt es Verbesserun­gen und Löch­er, die gestopft sind, die entschei­den­den Her­aus­forderun­gen bleiben aber ungelöst“, kri­tisierte er. Seine Argu­mente gegen Schwarz-Gelb: 80 Prozent der Lehrkräfte gehen in den näch­sten Jahren in Rente. „Eine Vor­sorge gibt es nicht, es dro­ht Lehrerman­gel, Unter­richt­saus­fall und eine Ver­schlechterung der Bil­dungsqual­ität.“ Außer­dem ste­ht im Haushalt­s­plan weit­er­hin: „Der bish­er vorge­se­hene weit­ere Stel­len­ab­bau wird bis (…) 2015 aufgeschoben.“ Das bedeute, dass danach wieder Stellen reduziert wer­den kön­nen. „Und dies bei steigen­den Schülerzahlen!“

Und während unser rot-rot regiertes Nach­bar­land Bran­den­burg mit einem neuen Ver­gabege­setz nach den Worten des Finanzmin­is­ters Hel­muth Markov (DIE LINKE) ein klares Sig­nal gegen Niedriglohn set­zt, behar­rt Schwarz-Gelb auf sein­er Block­ade gegen Tariftreue und Min­destlöhne bei öffentlich­er Auf­tragsver­gabe, wie das LINKE und SPD mit ihrem zusam­men mit dem DGB erar­beit­eten Geset­zen­twurf eben­falls wollen. Inzwis­chen gibt es dabei auch eine Ver­ständi­gung mit den Grü­nen, die bish­er mit einem eige­nen Geset­zen­twurf aufge­treten sind. Sach­sen ist trau­riger „Spitzen­re­it­er“ bei Niedriglöh­nen und nicht tar­ifge­bun­de­nen Betrieben. Zugle­ich hat der Freis­taat die bun­desweit älteste Bevölkerung, und es ist eigentlich eine Bin­sen­weisheit: Die Niedriglohn­strate­gie vertreibt junge Fachkräfte und ist Weg­bere­i­t­erin der Alter­sar­mut von mor­gen.

Ein Schw­er­punkt mein­er Region­al-Tour im näch­sten Früh­jahr wird der Besuch bei kleinen und mit­tel­ständis­chen Betrieben sein. Wir wollen den Tur­bokap­i­tal­is­mus nicht durch eine zen­tral­is­tis­che Plan­wirtschaft erset­zen, die bere­its in der DDR gescheit­ert ist. Unsere wirtschaft­spoli­tis­che Per­spek­tive ist, wie ich im Som­mer auf einem Kleinen Parteitag in Dres­den gesagt habe, eine sol­i­darische Mark­twirtschaft. Dazu gehört fair­er Wet­tbe­werb, bei dem nicht die Betriebe den Kürz­eren ziehen, die ihre Beschäftigten ordentlich bezahlen und auf humane, fam­i­lien­fre­undliche Arbeits­be­din­gun­gen acht­en. Nur so ist eine selb­st­tra­gende Entwick­lung Sach­sens möglich.

In Sach­sen gibt es für DIE LINKE noch viel zu tun.