Mut von 1989 ist historisches Vorbild – Politik sollte Wege suchen, um Demokratie lebendiger zu gestalten

Anlässlich des heuti­gen 25. Jahrestages der ersten Leipziger Mon­tags­demon­stra­tion mit Massen­beteili­gung am 9. Okto­ber 1989:

 

Wir gedenken der Leipziger Massendemon­stra­tion vom 9. Okto­ber 1989 mit Respekt vor dem Mut jen­er Men­schen, die damals für Refor­men auf die Straße gin­gen, und der­er, die mit großem per­sön­lichen Ein­satz dafür sorgten, dass diese Ver­anstal­tung möglich wurde und vol­lkom­men friedlich ver­lief. Der „Aufruf der Leipziger Sechs“, unterze­ich­net vom Gewand­hauskapellmeis­ter Kurt Masur, dem Kabaret­tis­ten Bernd-Lutz Lange, dem The­olo­gen Peter Zim­mer­mann und drei Sekretären der SED-Bezirk­sleitung, nötigt mir bis heute höch­sten Respekt ab. In ein­er emo­tion­al höchst bewegten und unsicheren Zeit set­zte er ein entschlossenes Sig­nal der Gemein­samkeit und des Gewaltverzichts: „[…] Wir alle brauchen freien Mei­n­ungsaus­tausch über die Weit­er­führung des Sozial­is­mus in unserem Land. Deshalb ver­sprechen die Genan­nten heute allen Bürg­ern, ihre ganze Kraft und Autorität dafür einzuset­zen, dass dieser Dia­log nicht nur im Bezirk Leipzig, son­dern auch mit unser­er Regierung geführt wird. Wir bit­ten Sie drin­gend um Beson­nen­heit, damit der friedliche Dia­log möglich wird“.

Ich wün­sche mir auch heute den Geist des Auf­bruchs und des Dialoges, wie er in diesen bewe­gen­den und bewegten Tagen sicht­bar wurde. Der Wille von Men­schen, gemein­sam und friedlich Missstände zu über­winden und für ihre Inter­essen einzutreten, darf in keinem poli­tis­chen Sys­tem ver­loren gehen. Ohne ihn gibt es keine ständi­ge Mod­ernisierung des Staatswe­sens. Damit ste­ht es im Freis­taat momen­tan nicht zum Besten – Min­is­ter­präsi­dent Stanis­law Tillich sieht den Geist von 1989 als „ver­flüchtigt“ an und ver­weist zu Recht auf die erschreck­end geringe Beteili­gung an der jüng­sten Land­tagswahl. Er sollte diese Gedanken weit­er­führen: Die herrschende Poli­tik muss sich kri­tisch fra­gen, welchen Anteil sie selb­st an diesem Zus­tand hat, und was notwendig ist, um Abhil­fe zu schaf­fen.

Anstatt den zunehmenden Beteili­gungsverzicht viel­er Men­schen lediglich zu bekla­gen, brauchen wir einen offe­nen und selb­stkri­tis­chen Dia­log: Wir müssen klären, was wir als lan­despoli­tis­che Ver­ant­wortliche dazu beitra­gen kön­nen, dass die Demokratie in Sach­sen wieder lebendi­ger wird. Darin sehe ich eine Ker­nauf­gabe in den vor uns liegen­den fünf Jahren, für Regierung und Oppo­si­tion.