Eröffnungsrede bei der 8. Armutskonferenz der Fraktion DIE LINKE. Sachsen
Liebe Genossinnen, liebe Genossen, lieber Vizepräsident des Landtages, Herr Wehner, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Interessierte,
als Fraktionsvorsitzender der Partei DIE LINKE im Sächsischen Landtag möchte ich Sie herzlich zur 8. Armutskonferenz begrüßen. Ich freue mich insbesondere, dass wir die Tradition, die der Genosse Dietmar Pellmann vor mehreren Jahren begonnen haben, in der neuen Legislaturperiode mit einer neuen äußerst engagierten Kollegin, nämlich Susanne Scharper, fortsetzen.
Die heutige Konferenz steht unter dem Titel: „10 Jahre Hartz IV: Jobwunder oder Armutsfalle?“. Im unrühmlichen zehnten Jahr nach der Einführung von Hartz IV gibt es viele verschiedenste Talkrunden, Zeitungsartikel, Berichte usw. die über die Deutungshoheit auf diesem Gebiet streiten. Ein zehnjähriges Resümee, welches ich mit gutem Gewissen ziehen kann, lautet:
Was ist positiv an Hartz IV? Kurz gesagt: Nichts. Seit 10 Jahren lebt Deutschland mit Hartz IV und das hat die Republik nachhaltig – negativ — verändert.
Als im Jahr 2002 SPD & Grüne ihre parlamentarische Mehrheit im Deutschen Bundestag verteidigt hatten, schien zunächst eine Kurskorrektur möglich. Nicht zuletzt, da die SPD traditionell stark mit den Gewerkschaften verbunden ist und von diesen eben auch während des Bundestagswahlkampfes 2002 unterstützt wurde.
Aber genau das Gegenteil war der Fall:
In seiner Regierungserklärung vom 29. Oktober 2002 kam der damalige Kanzler, Gerhard Schröder direkt auf den Punkt:
„Zu Reform und Erneuerung gehört auch, manche Ansprüche, Regelungen und Zuwendungen des deutschen Wohlfahrtsstaates zur Disposition zu stellen. Manches, was auf die Anfänge des Sozialstaates in der Bismarck-Zeit zurückgeht und noch vor 30, 40 oder 50 Jahren berechtig gewesen sein mag, hat heute seine Dringlichkeit und damit auch seine Begründung verloren“, sagte der SPD Kanzler Gerhard Schröder.
Diese Worte waren eine klare Kampfansage gegenüber dem Wohlfahrtsstaat.
In den Folgejahren kam es mit der „Agenda 2010“ unter der rot-grünen Bundesregierung zu einem Paradigmenwechsel und zu einem bis heute mit Abstand tiefsten Einschnitt in das deutsche Sozialmodelles.
Welche Folgen, welche Verhältnisse, welche Rechtsprechungen und welche Spannungen sich zehn Jahre nach der Einführung ergeben, möchten wir heute gemeinsam mit Ihnen diskutieren.
Dazu darf ich recht herzlich begrüßen:
Prof. Dr. Klaus Dörre vom Institut für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Meine geschätzte Kollegin Susanne Schaper, als Leiterin des Arbeitskreises I – Soziales, Familie, Verbraucherschutz, Gesundheit, Inklusion und Jugend sowie Sprecherin für Sozialpolitik der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag.
Frau Sabine Zimmermann, stellv. Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik
Frau Silke Brewig-Lange, Rechtsanwältin und Mediatorin aus Chemnitz und Dr. Rudolf Martens, Leiter Forschung der Paritätischen Forschungsstelle in Berlin.
Seien Sie herzlich Willkommen!!
Am 1. Januar 2005 trat das zentrale Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Arbeitsmarktes — Hartz IV in Kraft.
Ziel war es, Zuständigkeiten und Leistungen für Erwerbslose in einer Hand zu vereinigen.
Mit Hartz IV wurde als zentrale Maßnahme die Arbeitslosenhilfe abgeschafft.
Begründet wurden die Maßnahmen mit der Entwicklung der Personalzusatzkosten sowie mit dem Duktus des „kleineren Übels“.
Das Proletariat sollte Dankbarkeit zeigen für einen Politikstil, durch den erstmalig nach dem 2. Weltkrieg eine für Millionen Menschen existenziell wichtige Sozialleistung abgeschafft wurde.
Auch die mit Hartz VI verbundenen Leistungskürzungen führten zu einem Bruch mit dem Prinzip der Lebensstandartsicherung.
Weniger als das Existenzminimum waren nun verbunden mit Zumutungen, wie die Einführung einer „Bedarfsgemeinschaft“, Bedürftigkeitsprüfungen und den Sanktionen.
Für mehr als 6 Millionen Menschen ist das — 10 Jahre nach der Einführung von Hartz VI — aktuell.
Die Reformen führten zu einer Lockerung des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben, zu mehreren Nullrunden für die Rentnerinnen und Rentner, die durch die erhöhten Verbraucherkosten sowie Pflege- und Krankenversicherungsbeiträge in Wirklichkeit Minusrunden waren. Die Lastenverschiebung ging zugunsten der Kapitalseite aus!
Die materiellen Einbußen lagen auf ArbeitnehmerInnenseite.
Zehn Jahre nach Inkrafttreten der Hartz-Gesetze haben Langzeitarbeitslose kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt.
Rund ein Viertel der erwerbsfähigen Leistungsbezieher verharrt seit 2005 im Hartz IV-System.
Dabei sind Harzt IV Bezieher äußerst heterogen:
1/3 der Bezieher sind Familienangehörige Erwerbsfähige und 1/3 machen aufstockende Leistungen aus. Unter den Erwerbsfähigen mit Hartz VI Bezug finden sich vor allem Uniabsolventen und Langzeitarbeitslose. Damit verbunden sind unterschiedliche Lebenslagen und damit unterschiedliche Problemlagen.
Hartz4 führte zu Lohnsenkungen und schlechtere Arbeitsbedingungen und trifft dabei nicht nur die direkt Betroffene, sondern auch Betriebsräte, Belegschaften und Gewerkschaften.
Hartz 4 ist menschlich eine Katastrophe, es schafft Armut per Gesetz und spaltet die Bevölkerung.
Die zunehmende soziale Spaltung geht aber auch mit erheblichen Gefahren für den inneren Frieden und die Demokratie einher.
Welchen Nährboden sie mitbereitet, können wir aktuell in Sachsen feststellen.
Wer die gesellschaftlichen Verhältnisse aber verändern will und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen durchsetzen möchte, braucht gute Ideen und einen langen Atem. Das haben wir als LINKE.
Beim Mindestlohn haben wir zusammen mit Gewerkschaften, sozialen Initiativen und Verbänden viele Jahre lang Druck gemacht. Am Ende kam auch die CDU-geführte Bundesregierung trotz der skandalösen Ausnahmen nicht mehr an der gesellschaftlichen Mehrheit für den Mindestlohn vorbei.
Diesen Kampf gilt es fortzusetzen.
DIE LINKE macht dies aktuell im Rahmen ihrer Kampagne „Das muss drin sein“, die die Prekarisierung von Arbeits-und Beschäftigungsverhältnissen thematisiert und bekämpft.
Ich wünsche der Konferenz neue Erkenntnisse die wir für unsere parlamentarische, wie auch außerparlamentarische Arbeit dringend brauchen.
Weil heute in Berlin gegen das Freihandelsabkommen TIPP eine große bundesweite Demonstration geplant ist, würde ich mich dann auch direkt verabschieden, um nach Berlin zu fahren.
Glück Auf!