Ost-Regierungschefs ohne Ost-Ministerium kraftlos – neue Bundesländer innerdeutsch noch nicht auf Augenhöhe

Zur heuti­gen Beratung der ost­deutschen Min­is­ter­präsi­den­ten und der Bun­deskan­z­lerin in Bad Muskau über kün­ftige Förderung struk­turschwach­er Regio­nen erk­läre ich:

27 Jahre nach der deutschen Ein­heit müssen die ost­deutschen Regierungschefs darum bet­teln, dass im Falle ein­er Fußball-Europameis­ter­schaft 2024 in Deutsch­land bitte auch ein ost­deutsches Sta­dion (Leipzig) Berück­sich­ti­gung finde. Das spricht eben­so Bände wie die jahrzehn­te­lange Verzögerungstak­tik des Bun­des­gericht­shofs (BGH), die Neuan­sied­lung von BGH-Sen­at­en am Stan­dort Leipzig zu umge­hen, weshalb die Min­is­ter­präsi­den­ten die Bun­desregierung nun „aufge­fordert“ haben, dass der entsprechende Beschluss des Bun­destages von 1992 (!) umge­set­zt wird. Die Men­schen in Ost­deutsch­land und ihre Repräsen­tan­tinnen und Repräsen­tan­ten sind auch in der acht­en Bun­destags-Wahlpe­ri­ode seit dem Mauer­fall inner­halb Deutsch­lands nicht gle­ich­berechtigt und auf Augen­höhe mit den alten Bun­deslän­dern.

Dass sich zum 44. Mal Regierungschefs ost­deutsch­er Bun­deslän­der zum Gipfel tre­f­fen, ist amtliche Bestä­ti­gung der Notwendigkeit eigen­er ost­deutschen Inter­essen­vertre­tung. Wenn trotz der zuvor 43 Tre­f­fen Ost­deutsch­land – so die Beschlussvor­la­gen – immer noch keine adäquate Infra­struk­tur hat, durch ungerecht hohe Net­zent­gelte bei der Energiev­er­sorgung belastet ist, und immer noch über keine Wirtschaft ver­fügt, die ihre Forschungs- und Entwick­lung­spro­jek­te weit­ge­hend selb­st tra­gen kann, belegt dies: Wir brauchen ein eigenes Bun­desmin­is­teri­um für Ost­deutsch­land, dass die Über­win­dung der sozioökonomis­che Spal­tung Deutsch­lands als zen­trale Quer­schnit­tauf­gabe begreift, son­st gehen die Wün­sche der Ost-Min­is­ter­präsi­den­ten ins Leere. Und die vol­lzeitbeschäftigten Sächsin­nen und Sach­sen ver­di­enen auch in fern­er Zukun­ft wie heute durch­schnit­tlich 28 Prozent weniger als west­deutsche Vol­lzeitbeschäftigte.

Wenn nun zum großen „Auf­holen“ des Ostens gerufen wird, wie das Sach­sens MP Tillich tut, klingt das nach dem „Über­holen ohne einzu­holen“ von Wal­ter Ulbricht. Denn der wirtschaftliche Aufhol­prozess des Ostens ist schon seit Ende der neun­ziger Jahre zum Erliegen gekom­men. Schuld ist die Dein­dus­tri­al­isierung durch die Treuhand­poli­tik. Der Osten braucht jet­zt eine neue Indus­triepoli­tik und eine intel­li­gen­tere Infra­struk­tur­förderung: Viel zu lange wurde ein­seit­ig auf Asphalt geset­zt und der Aus­bau des Date­nau­to­bahn­net­zes ver­nach­läs­sigt. Dazu gehört die klare poli­tis­che Botschaft: Gle­ich­er Lohn für gle­iche Arbeit über­all, und Renten­gerechtigkeit für Lebensleis­tun­gen in Ost und West! Dafür braucht es vor allem eines: eine neue Mehrheit im Bun­destag, die die Renten-Mauer ein­reißt und der vor allem im Osten massen­haften Niedriglohnaus­beu­tung einen geset­zlichen Riegel vorschiebt.