Michael Kretschmer führt ein Zwangsbündnis, kein Zukunftsbündnis – Koalitionsvertrag nicht überbewerten

Zur erneuten Wahl von Michael Kretschmer (CDU) zum Min­is­ter­präsi­den­ten des Freis­taates Sach­sen und zur geplanten Zusam­menset­zung des Kabi­netts erk­läre ich:

„Im Inter­esse der Bevölkerung und trotz unser­er poli­tis­chen Dif­feren­zen beglück­wün­sche ich Her­rn Kretschmer zur Wahl und wün­sche ihm Klugheit und Beson­nen­heit bei der Ausübung seines Amtes. Ich habe ihm zur Grat­u­la­tion ein Exem­plar des finnis­chen Schulge­set­zes über­re­icht – eines der ersten großen The­men der Wahlpe­ri­ode ist schließlich das län­gere gemein­same Ler­nen, und der Blick über Sach­sens Gren­zen hin­aus lohnt sich immer. Wir hof­fen auf einen fairen Umgang zwis­chen Regierung und Oppo­si­tion, nicht nur bei dieser Debat­te.

Herr Kretschmer wird Chef eines Zwangs­bünd­niss­es sein, nicht der eines Zukun­fts­bünd­niss­es. In der Kenia-Koali­tion wird zusam­mengeschweißt, was nicht zusam­menge­hört. Deshalb sollte man auch den Koali­tionsver­trag nicht über­be­w­erten: Er ist zunächst erst­mal ein Stück Papi­er, und die Erfahrung lehrt, dass in Sach­sen nicht zwin­gend umge­set­zt wird, was in Koali­tionsverträ­gen ste­ht, son­dern das, was die CDU will. Was sie nicht will, kommt nicht. Ich warne vor zu großen Erwartun­gen an diese Regierung, zumal sie bei zen­tralen The­men wie Armuts­bekämp­fung, sozial gerechter Kli­maschutz, Benachteili­gung des Ostens oder Frieden­spoli­tik sprach­los bleibt. Dieser Regierung fehlt ein Zukun­fts­bild, das über Repara­turen hin­aus­ge­ht. Fortschrit­tliche Poli­tik käme nur mit ein­er Mitte-Links-Regierung in Reich­weite. Dafür kämpfen wir unbeir­rt.

Mit Blick auf das Kabi­nett stelle ich fest, dass die CDU ihre Macht­po­si­tion gefes­tigt hat. Damit sie weit­er dieselbe Platz­zahl am Kabi­nettstisch ein­nimmt, wird sog­ar ein zusät­zlich­er Min­is­ter­posten geschaf­fen. Und sie hat sich den Durch­griff auf Kern­bere­iche gesichert, weil das neue Staatsmin­is­teri­um für Struk­turen­twick­lung, ländlich­er Raum und Bau in Konkur­renz zum Umwelt- und Wirtschaftsmin­is­teri­um tritt. Da dür­fen wir auf manchen Kampf ges­pan­nt sein. Anson­sten deutet die Zusam­menset­zung des Kabi­netts ins­ge­samt auf ‚Weit­er so‘ hin, inklu­sive eines neolib­eralen Ver­hin­derungsmin­is­ters im Finanzmin­is­teri­um. Herr Vor­jo­hann ste­ht für die Pri­vatisierung öffentlichen Eigen­tums und hat damals den Verkauf der Dres­d­ner Woh­nungs­bauge­sellschaft vor­angetrieben, er ist aus der Stadt Dres­den eher als Block­ier­er bekan­nt. Das ist offen­bar die Mor­gengabe an die ‚Wer­te­u­nion‘ und zugle­ich ein Hin­weis darauf, wie schw­er Grüne und SPD es haben wer­den. Wirk­lich neu sind die bei­den grü­nen Kabi­nettsmit­glieder – ihnen wün­schen wir ein glück­lich­es Händ­chen und Durch­set­zungsver­mö­gen gegenüber der CDU.“