Einschätzung der Bundestagswahlen 2013 am 28. September 2013 zum „Kleinen Landesparteitag“ in Dresden

Liebe Genossin­nen und Genossen,

die „Erle­ichterung“, die Jour­nal­is­ten am Wahlabend bei uns wahrgenom­men haben, war auch meine ganz per­sön­liche Empfind­ung.
Immer­hin wollte uns vor ein paar Wochen ein renom­miertes Mei­n­ungs­forschungsin­sti­tut weis­machen, wir lägen bei der Son­ntags­frage zur Bun­destagswahl in Sach­sen bei nur 13 Prozent. Nun sind genau 20 Prozent rausgenom­men. Ich kön­nte nun behaupten das war unser engagiert­er Wahlkampf oder es war eine falsche Umfrage­prog­nose. Bei­des kann ich nicht beweisen und trotz­dem darf ich es behaupten.
DIE LINKE hat bun­desweit ein acht­bares Wahlergeb­nis erzielt und wir wur­den drittstärk­ste Partei vor Grü­nen und CSU.

Wir kon­nten das Wahlergeb­nis von 2005 bestäti­gen und haben damit alle Hoff­nun­gen unser­er poli­tis­ch­er Geg­n­er wider­legte wir kön­nten uns als Protest­be­we­gung von selb­st erledi­gen. Sie – also unsere Geg­n­erkön­nen nun­mehr ein weit­eres Viertel­jahrhun­dert diesen Irrtum fort­set­zen.

Der Erfolg der Linkspartei ist, nicht allein, aber vor allem anderen der Erfolg von Gre­gor Gysi. Ich glaube ohne ihm und seinen per­sön­lichen Ein­satz wäre das Wahlergeb­nis undenkbar.

Es wäre aber auch undenkbar dieses Wahlergeb­nis, wenn nicht Kat­ja und Bernd uns nach Göt­tin­gen in das Fahrwass­er gebracht hät­ten, die uns vor dem ken­tern bewahrte.

Und sie hat­ten mit Matthias Höhn einen Bun­des­geschäfts­führer und Wahlkampfleit­er an ihrer Seite, der unaufgeregt aber kon­se­quent die Wahlkampf­fä­den in der Hand hilt ohne sich auch nur ein­mal in den Mit­telpunkt zu stellen.

Gemessen am inner­parteilichen Zus­tand im Früh­jahr 2012 ist das Wahlergeb­nis ein großer Sta­bil­isierungser­folg.
Wir haben von den Wäh­lerin­nen und Wäh­lern ein Geschenk bekom­men: die Chance, es 2013/14 bess­er zu machen als 2009/10.

Ich will was zu Sach­sen sagen:
Wir haben als LINKE Sach­sen drei Wahlziele gehabt:
Erstens im neuen Bun­destag so stark vertreten zu sein wie im alten – mit acht Abge­ord­neten. Das haben wir geschafft. Wir sind vom 9. Man­dat nur 14.000 Stim­men ent­fer­nt, was wenig ist, wie Sie aus den näch­sten Zahlen erse­hen kön­nen.
Zweites Wahlziel war, rund eine halbe Mil­lion Stim­men in Sach­sen für DIE LINKE zu gewin­nen. Her­aus­gekom­men sind genau 466.321 Stim­men – da darf man wohl ein biss­chen aufgerun­det denken und sagen: Auch dieses Wahlziel haben wir im Großen und Ganzen erre­icht. Damit liegen wir übri­gens im Durch­schnitt der let­zten Bun­destagswahlen.
Drittes Wahlziel war, als mit­glieder­stärk­ster Lan­desver­band einen beson­deren Beitrag zum Gesamtergeb­nis zu leis­ten. DIE LINKE hat deutsch­landweit im Ver­gle­ich zum bish­er her­aus­ra­gen­den Aus­nah­meergeb­nis von 2009 ein Vier­tel ihres prozen­tualen Stim­menan­teils ver­loren, in Sach­sen nur ein Fün­f­tel. Wir haben also über­durch­schnit­tlich abgeschnit­ten und damit als LINKE in Sach­sen dafür gesorgt, dass DIE LINKE erst­mals in Deutsch­land drittstärk­ste Partei gewor­den ist.
Ich will mal ein paar Zahlen nen­nen: Rel­a­tiv haben wir im Bund 27,2% ver­loren, im Osten 19,7% und im West­en 32,7% unser­er Stim­men aus 2009. In Sach­sen liegen wir hin­ter Berlin, die nur 5,2% ver­loren haben mit 15,4% an zweit­er Stelle der Ver­luste. Und während im Jahre 2009 unser Ergeb­nis zu 10,7% in das Bun­de­sergeb­nis einge­flossen ist, waren es dies­mal schon 12,4%, nur NRW liegt mit 15,5% vor uns.

Ich darf daran erin­nern, dass wir vor weni­gen Wochen noch in ein­er Mei­n­ung­sum­frage bei 13 Prozent in Sach­sen gehan­delt wur­den. Erzielt haben wir nun genau 20 Prozent. Das ist das beste Zeug­nis, das einem engagierten Wahlkampf unser­er Mit­glieder und Sym­pa­thisan­ten aus­gestellt wer­den kann.

Die Wäh­lerin­nen und Wäh­ler haben – ich habe es ja schon gestern Abend gesagt – mit diesem Votum zweier­lei gewürdigt: unser Pro­gramm der sozialen Gerechtigkeit und unseren finanzpoli­tis­chen Real­is­mus: dass wir diese Forderun­gen finanzieren kön­nen, und zwar schulden­frei.

Zur Ehrlichkeit gehört aber die Fest­stel­lung, dass ich auf das Wahlergeb­nis neben einem lachen­den auch mit einem weinen­den Auge schaue. Im Moment gibt es in Sach­sen keine rech­ner­ische Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Das liegt vor allem daran, dass die SPD auf ihrem his­torischen Tief­punkt von 2009 hän­genge­blieben ist und die GRÜNEN in Sach­sen über­durch­schnit­tlich ver­loren haben.

Bei­des hat densel­ben Grund wie das für SPD und GRÜNE unbe­friedi­gende Abschnei­den auf Bun­de­sebene: Wer welt­fremd für eine aus­sicht­slose Kon­stel­la­tion kämpft – gemein­same absolute Mehrheit von SPD und GRÜNEN –, fällt auf die Nase. Eben­so wie der, der den Bürg­erin­nen und Bürg­ern keine klare Alter­na­tive zur amtieren­den Regierung anbi­etet. Daraus kön­nen bei­de Parteien für die Land­tagswahl in Sach­sen 2014 die vernün­ftige Schlussfol­gerung ziehen, gemein­sam mit uns einen rot-rot-grü­nen Lager­wahlkampf mit dem Ziel der Ablö­sung der CDU aus einem Viertel­jahrhun­dert Regierungsver­ant­wor­tung zu führen.

Die inhaltlichen Schnittmen­gen sprechen klar für Rot-Rot-Grün. Deshalb werde ich mich ohne Unter­lass weit­er auf Augen­höhe mit den poten­ziellen Part­nern dafür ein­set­zen. Ich laufe allerd­ings nie­man­dem hin­ter­her: Wer partout im Nie­mand­s­land zwis­chen CDU und LINKEN poli­tisch unterge­hen will, wird von uns nicht daran gehin­dert wer­den.
Wir lei­den in Sach­sen seit vie­len Jahren an poli­tis­chem Ver­schleiß durch die schein­bare Alter­na­tivlosigkeit der CDU-Dauer­regierung. Erin­nern wir uns:
Im Som­mer 2009, in dem unsere Partei das bish­er mit großem Abstand beste Ergeb­nis aller Zeit­en bei Bun­destagswahlen erzielte, starteten wir den Land­tagswahlkampf mit Umfrageergeb­nis­sen zwis­chen 17 und 19 Prozent. Nach einem Wahlkampf mit großem Ein­satz schafften wir es auf 20,6 Prozent, was nicht nur meilen­weit vom Bun­destagsergeb­nis weg war, son­dern auch von allen Land­tagswahlergeb­nis­sen in den Nach­bar­län­dern. Das hat­te u.a. einen ein­fachen Grund: Bodo Ramelow und die Thüringer LINKE glaubten wirk­lich daran, vielle­icht doch die Regierung übernehmen und den Min­is­ter­präsi­den­ten stellen zu kön­nen, egal was vorher von wem auch immer darüber gere­det wurde. Bei uns glaubte dage­gen de fac­to nie­mand an unser Wahlziel. Deshalb soll­ten wir für 2014 glaub­würdi­ge Wahlziele auf­stellen, die klar kom­mu­nizieren: Wir wollen den Wech­sel, kön­nen ihn zwar nicht alleine, aber ohne eine starke LINKE ist er aus­geschlossen

Ich glaube, dass lan­despoli­tis­che Beson­der­heit­en eine viel größere Rolle spie­len, als wir Linke, die wir bisweilen etwas zu sehr zu Zen­tral­is­mus neigen, wahrhaben wollen: Der „Bran­den­burg­er Weg“ hat die Linke dort auf 27,2 Prozent bei den let­zten Land­tagswahlen und in Schlüs­selmin­is­te­rien ein­er neuen rot-roten Lan­desregierung gebracht. Die öffentliche Kom­mu­nika­tion unser­er Genossin­nen und Genossen im nördlichen Nach­bar­land entspricht nach unseren säch­sis­chen Kri­te­rien dem, was man als Schmusekurs beze­ich­nen würde. Bloß nicht zu polemisch sein.
Dage­gen hat die Thüringer LINKE unter Bodo Ramelows Strate­gie voll auf Polar­isierung geset­zt und damit, wenn auch nicht den Regierungswech­sel, so doch ein sehr gutes Wahlergeb­nis erre­icht. Wir sind zurzeit dabei, unseren säch­sis­chen LINKEN Weg zu find­en. Ich meine das nicht im Sinne von grüb­lerischen Selb­stfind­ung­sprozessen – dafür haben wir keine Zeit mehr. Son­dern im Sinne ein­er Pro­filschär­fung unser­er dialek­tis­chen Rolle als CDU-Antipode und rot-rot-grün­er Mod­er­a­tor. Das ist kom­plex­er als die Thüringer oder Bran­den­burg­er Rolle, aber wenn es uns gelingt, dann brin­gen wir die Partei ins­ge­samt ein Stück weit­er.

Deswe­gen glaube ich, dass wir in Sach­sen ordentlich dialek­tisch zwei Jobs gle­ichzeit­ig erfüllen müssen: Erstens klar machen: Wir sind das Gegen­stück zur CDU, wir sind der Gegen­pol im lan­despoli­tis­chen Kraft­feld – weil wir die Einzi­gen sind, die für eine Koali­tion mit der CDU nicht zur Ver­fü­gung ste­hen. Zugle­ich müssen wir aber auch der Motor des Poli­tik­wech­sels sein, wer wenn nicht wir sollte Rot-Rot-Grün mod­erieren oder organ­isieren? Diese bei­den Jobs ergänzen sich, man darf keinen von bei­den auch nur einen Tag vergessen.

Ich habe am Dien­stag in der Frak­tion fol­gende Vorschläge für die Strate­gie der Frak­tion bis zu den Land­tagswahlen 2014 vorgeschla­gen:

1. Wir arbeit­en unsere Alle­in­stel­lungsmerk­male her­aus um sie der Lan­despartei vorzuschla­gen für die inhaltliche Posi­tion­ierung der LINKEN in Sach­sen.

2. Wir set­zten uns weit­er­hin vor allem inhaltlich mit der CDU Sach­sen und der aktuellen Regierung auseinan­der.

3. Mit der SPD und den GRÜNEN wer­den wir uns strate­gisch auseinan­der­set­zen und wer­den öffentlich deut­lich machen, wo wir uns von den bei­den Parteien SPD und GRÜNE inhaltlich unter­schei­den.

4. Von den Parteien (Frak­tion) rechts von der CDU gren­zen wir uns deut­lich inhaltlich und strate­gisch ab.

5. Wir machen deut­lich jede Stimme für die LINKE ist eine sich­er Stimme für die Abwahl der CDU geführten Lan­desregierung.
Ich denke, wenn wir so an die Pla­nung unser­er Wahlkampf­s­trate­gie gehen, kön­nen wir die Auf­gaben die vor uns ste­hen gut bewälti­gen und ganz viele GenossIn­nen mit­nehmen im Kampf um jede Stimme für DIE LINKE zu den Land­tagswahlen 2014.

Zum Schluss möchte ich noch einen Dank sagen: All denen, die wählen gegan­gen sind. Dass die Wahlbeteili­gung auch in Sach­sen gestiegen ist, tut der Demokratie gut.
Natür­lich möchte ich mich auch bei allen bedanken die in den let­zten Wochen und z.T. Monat­en uner­müdlich Wahlkampf organ­isiert und durchge­führt haben, bei den 16 Direk­tkan­di­dat­en, aber auch bei den ungezählten Helferin­nen und Helfern.
Ich möchte mich per­sön­lich bei Antje und ihrem Team bedanken. Es war ja ihre erste Wahl, welche sie als Wahlkampflei­t­erin zu ver­ant­worten hat­te und ich weiß, was das bedeutet und kann mir deswe­gen auch ein Urteil erlauben:
Das hat sie richtig gut gemacht!