Ossiland in Wessihand – Raj Kollmorgen ist Gast der Linksfraktion — Werden Herzensthema Osten wieder stärker vertreten

„Wer beherrscht den Osten – wem gehört der Osten – Zukun­ft für den Osten?“ Dazu referierte in dieser Woche der Sozi­ologe Prof. Dr. Raj Koll­mor­gen in der Links­frak­tion. Ich erk­läre zu den Schlussfol­gerun­gen:

Ich danke Raj Koll­mor­gen für viele span­nende Ein­sicht­en! Wer regiert den Osten? In vie­len Bere­ichen immer noch vor allem West­deutsche. Wie auch die Uni Leipzig und der MDR vor einiger Zeit her­aus­ge­fun­den haben, sind Ost­deutsche in den Funk­tion­seliten weit­er unter­repräsen­tiert. In den Spitzen­gremien der Rund­funkanstal­ten, den Rek­torat­en der Hochschulen, in Forschung­sein­rich­tun­gen, Jus­tiz, Mil­itär, an den Schalt­stellen der öffentlichen Ver­wal­tung oder im Man­age­ment großer Unternehmen sitzen viel weniger Ost­deutsche als angemessen wäre – jeden­falls wenn man von ihrem Bevölkerungs-Anteil aus­ge­ht. Nur etwa ein Vier­tel der hun­dert größten Ost-Unternehmen wer­den von Ost­deutschen geführt oder ste­hen in deren Besitz.

„Ossi­land in Wes­si­hand“ – das mag über­spitzt for­muliert sein, allerd­ings ist dieser Ein­druck weit ver­bre­it­et. Hinzu kommt: Die Men­schen im Osten wer­den noch immer struk­turell benachteiligt, viele fühlen sich auch so. Sozioökomisch ist die alte Zonen­gren­ze noch deut­lich sicht­bar. Bei wichti­gen Kenn­zahlen erre­icht Ost­deutsch­land längst nicht das durch­schnit­tliche West­niveau. Her­aus­geputzte Städte und sanierte Straßen bedeuten noch keine gle­ich­w­er­ti­gen Lebensver­hält­nisse, schon gar keine Angle­ichung des Lebens­ge­fühls.

Die Ursachen dieser Entwick­lung liegen in ein­er Peri­ode, die bish­er kaum aufgear­beit­et wor­den ist: der Zeit nach 1990. Nicht nur auf der Geset­ze­sebene, son­dern allerorten in den Eliten vol­l­zog sich die „Ver­west­deutschung“ des Ostens. West­deutsche Net­zw­erke bes­timmten den Auf­stieg west­deutsch­er Funk­tion­sträger, die mit „Buschzu­la­gen“ gelockt wur­den. Raj Koll­mor­gen diag­nos­tiziert eine „kul­turelle Fremd­mar­gin­al­isierung“ der Ost­deutschen: Lebensleis­tun­gen seien nicht geschätzt, son­dern auf Teilaspek­te des Lebens in der DDR reduziert wor­den; Ossis sei oft nicht zuge­traut oder zuge­s­tanden wor­den, Ver­ant­wor­tung in der Bun­desre­pub­lik zu übernehmen. Hinzu komme jedoch eine „kul­turelle Selb­st­mar­gin­al­isierung“ der Ost­deutschen: Nach dem Durch­leben der mul­ti­plen Krisen ab 1989/90 hät­ten viele den Schritt zum Unternehmer­tum oder eine Ori­en­tierung auf Auf­stieg nicht riskiert. Ins­ge­samt gebe es hier eine größere Dis­tanz zu Eliten als im West­en.

Ich geste­he: In den let­zten Jahren ist uns das Herzen­s­the­ma Osten aus dem Blick ger­at­en. Seit eini­gen Monat­en rück­en wir es nun wieder stärk­er in den Fokus. Die Angle­ichung der Lebensver­hält­nisse ist eine zen­trale Auf­gabe für uns. Wir wer­den wieder stärk­er Druck machen!