Liebe Genossin­nen und Genossen,

die heutige gemein­same Beratung des Lan­desvor­standes, des Lan­desrates, der Kreisvor­sitzen­den und des Frak­tionsvor­standes, kurz: unser soge­nan­nter „Klein­er Parteitag“ hat wieder mal ein sehr volles Pro­gramm. Das ken­nen wir nun seit­dem wir diese Beratung einge­führt haben und das ist eine gute Sache. Auch, wenn wir uns intern ab und an über den Begriff „Klein­er Parteitag“ stre­it­en.

Ich betone das hier gle­ich am Anfang, um ins­beson­dere unseren Gästen, den bei­den Parteivor­sitzen­den Kat­ja Kip­ping und Bernd Riexinger, die ich hier­mit ganz her­zlich begrüßen möchte .… (BEIFALL)…
.… um ins­beson­dere bei Euch nicht den Ein­druck entste­hen zu lassen, wir hät­ten eine Son­dertage­sor­d­nung für euch aufgestellt.

Seit ger­aumer Zeit arbeit­en wir im Lan­desver­band Sach­sen an den inhaltlichen Grund­la­gen für die bald bevorste­hen­den Land­tagswahlen 2014 und damit natür­lich auch an unserem Beitrag für die Bun­destagswahlen im näch­sten Jahr.
Wie Oskar Lafontaine zu Recht bemerk­te, sollte die Wahlvor­bere­itung so unge­fähr zwei Jahre vor dem Wahl­gang begin­nen. Wir liegen da gut im Zeit­plan, nicht nur hin­sichtlich der Inhalte, son­dern auch in Bezug auf die Wahlkampf­struk­turen und die Methodik.

Heute wird zum Beispiel der Entwurf für die Sucht- und Dro­gen­poli­tis­chen Leitlin­ien vorgestellt. Ein sehr wichtiges The­ma und eben­so ein nicht ganz ein­fach­es The­ma für unsere Partei. Sich­er ist das kein Prob­lem­feld, mit dem wir großar­tig um Mehrheit­en rin­gen wer­den. Trotz­dem müssen wir uns damit befassen. Allein nur The­men aufzuw­er­fen, die aus wahltak­tis­ch­er Sicht erfol­gver­sprechend sind, scheint mir doch zu beschränkt zu sein. Der Entwurf der Leitlin­ien ist aus mein­er Sicht schon mal ziem­lich gut gelun­gen, was vor allem heißt, dass wir auf sach­lich-fach­lich­er Grund­lage sowohl gut gemein­sam disku­tieren kön­nen, als auch mit den vie­len auf diesem Gebi­et engagierten Ini­tia­tiv­en, Vere­inen und, natür­lich auch, Behör­den und Vertreterin­nen des Gesund­heitswe­sens.
Hier wird es wieder mal deut­lich, was der Begriff „Küm­mer­erpartei“ meint. Wir entwick­eln Poli­tik nicht nur für die soge­nan­nten „Leis­tungsträger“ der Gesellschaft – ein ohne­hin frag­würdi­ger Begriff – son­dern unser Blick gilt der gesamten Gesellschaft. Unsere Sorge gilt vor allem jenen, die an den Rand oder über diesen hin­aus gedrängt sind, die unsicht­bar gemacht wer­den, krim­i­nal­isiert und tabuisiert.
Und, dass wir das tun, dass wir uns küm­mern, macht klar, welche Hal­tung zur Gesellschaft wir haben.
Ein gutes Leben zu haben ist immer damit ver­bun­den, dass Men­schen in Gemein­schaft, im Miteinan­der, in Sol­i­dar­ität sind.
Unsere Vorstel­lung von ein­er gerecht­en, sol­i­darischen Gesellschaft wird wahrnehm­bar in unser­er ganz konkreten Arbeit oder gar nicht. Darin beste­ht im Übri­gen der Sinn des Satzes, dass Wahlen nicht in den Wahlkämpfen, son­dern dazwis­chen gewon­nen wer­den.

Wir soll­ten davon aus­ge­hen, dass die Wäh­lerIn­nen — und ins­beson­dere unsere Wäh­lerin­nen – sehr aufmerk­sam und klug sind und dass sie also wahrnehmen, was wir wie tun.

Man kann darüber natür­lich viel spekulieren, aber dankenswert­er Weise hat der Parteivor­stand eine Befra­gung unser­er poten­tiellen Wäh­ler in Nieder­sach­sen in Auf­trag gegeben, was deren Erwartung­shal­tung bet­rifft. Und dabei sind mir vier wichtige Sachen aufge­fall­en:
Unserem engeren und weit­eren Wäh­lerkreis in Nieder­sach­sen ist Men­schlichkeit wichtig, Men­schlichkeit im Sinne der Zwis­chen­men­schlichkeit, des sozialen Zusam­men­halts, der Sol­i­dar­ität.
Es ist ihnen wichtig, dass wir LINKEN Ide­ale haben, aber nicht so sehr Ide­olo­gien ver­haftet sind.
Sie wollen, dass wir umset­zbare Alter­na­tiv­en entwick­eln, von denen glaub­würdig annehm­bar ist, dass ihre Umset­zung klap­pen kön­nte und, auch nicht sehr über­raschend,
sie erwarten die Bere­itschaft, Kom­pro­misse einzuge­hen, damit wir Ziele im Sinne der Men­schen erre­ichen.
Das sind doch vier span­nende Botschaften, die uns unsere möglichen Wäh­lerin­nen aus Nieder­sach­sen über­mit­teln.

Wenn ich mir die Aus­sagen aus Nieder­sach­sen anschaue, komme ich zu der Fest­stel­lung, dass mir das bekan­nt vorkommt. Näm­lich ganz ein­fach von HIER! Die Men­schen, die sich vorstellen kön­nen, uns zu wählen, unter­schei­den sich offen­sichtlich gar nicht so sehr zwis­chen Ost und West.
Was sich unter­schei­det, sind die Umstände unter denen sie leben.

Ich hoffe nicht, dass es abge­droschen klingt, wenn ich daran erin­nere, dass es das gesellschaftliche Sein ist, welch­es das Bewusst­sein bes­timmt. Und so alt­bekan­nt dieser Satz ist, so sehr hil­ft er uns doch, in unser­er Poli­tiken­twick­lung nicht fahrläs­sig und ober­fläch­lich zu wer­den. Deshalb möchte ich genau an dieser Stelle Sahra Wagenknecht wider­sprechen, die sich am Mon­tag damit zitieren lässt, das Ost-West-The­ma sei über­holt!

Solange dieses Land durch einen sozial-ökonomis­chen Graben getren­nt ist, solange Biogra­phien durch die Herkun­ft und die Sozial­i­sa­tion im Osten nicht die gle­iche Chance haben, solange wird eine linke Partei diese Ungerechtigkeit the­ma­tisieren müssen!

Unsere Erfolge sind nicht das Ergeb­nis unser­er küh­nen Strate­gien, tollen Konzepte und was weiß ich noch. Sie sind vielmehr das Resul­tat dessen, dass wir auf eine gesellschaft­spoli­tis­che Lage reagierend auf ganz ver­schiedene prak­tis­che Weise unsere poli­tis­chen Ange­bote entwick­elt haben.
„Küm­mer­erpartei“ zu sein, war nie das Ergeb­nis eines Mas­ter­plans oder ein­er beson­ders klug aus­ge­heck­ten Strate­gie. Eine linke, eine demokratisch-sozial­is­tis­che Partei wird nur erfol­gre­ich sein kön­nen, wenn sie tief in der Gesellschaft ver­wurzelt ist. Diese Ver­wurzelung ist niemals endgültig erre­icht.

Unsere Prob­leme in Sach­sen, im ganzen Osten, ken­nen wir zur Genüge, jed­er hier im Raum weiß, was ich meine. Wir ver­suchen, darauf zu reagieren, ob es uns gelingt, wird nur die Prax­is zeigen.

Wenn wir also nun mit dem „Dia­log für Sach­sen“ nach dem Okto­ber­parteitag in die erste öffentliche Diskus­sion­sphase treten, dann ist dies nicht nur eine Reak­tion auf verän­derte Anforderun­gen der Gesellschaft, son­dern auch eine Reak­tion auf verän­derte Möglichkeit­en, die wir als Partei haben.

Und an dieser Stelle möchte ich auch der Dres­d­ner Stad­trats­frak­tion Dank sagen, die das kreativ über­set­zt hat und in einen Dia­log für Dres­den ein­tritt oder die Ober­bürg­er­meis­terkan­di­datin in Leipzig, die sich mit ein­er Postkarte an die Leipzigerin­nen und Leipziger wen­det, mit der Bitte sich zu ihren Vorstel­lun­gen für eine soziales Leipzig zu äußeren.
Aber es ist eben ein wesentlich­er Unter­schied, ob wir in fast jedem Ort in allen möglichen Vere­inen und Ini­tia­tiv­en vertreten und aktiv sind, wie dies Anfang der neun­ziger Jahre noch möglich war. Nun gibt es einige, die dann sagen: na, da müssen wir eben jet­zt eine Massen­partei wer­den. Das ist dann meist mit ein­er Kri­tik ver­bun­den, dass ins­beson­dere wir im Osten zu wenig rev­o­lu­tionär sein, zu angepasst und eigentlich irgend­wie Teil des Sys­tems- Ganz ehrlich: von diesen Möchte­gern-Massen­parteien, die sehr grund­sät­zlich, sehr rev­o­lu­tionär und gar nicht angepasst sind, gibt es viele. Das einzige, was dabei den Begriff „Massen­partei“ recht­fer­tigt, ist die große Masse dieser häu­fig doch sehr kleinen Grup­pen. So schön die Vorstel­lung von ein­er Massen­partei sein mag, wir müssen kon­sta­tieren, dass derzeit die Bedin­gun­gen dafür nicht gegeben sind.

Liebe Genossin­nen und Genossen,
mit meinen poli­tis­chen Erfahrun­gen, begin­nend in der SED, vor allem aber in der Wen­dezeit, mit mein­er Arbeit als Stad- und Kreis­rat, als Bürg­er­meis­terkan­di­dat in Aue, mit fast 50 % nur knapp gescheit­ert, als Wahlkreis­mi­tar­beit­er, als Lan­des­geschäfts­führer, als Land­tagsab­ge­ord­neter und nun auch als Lan­des- und Frak­tionsvor­sitzen­der werbe ich für eine Poli­tik, in ihren Inhal­ten und Meth­o­d­en, die sich bewusst auf die Mühen der Ebene bezieht.
Dazu brauchen wir einen sehr lan­gen Atem, um unseren Zie­len zu entsprechen.
Die vor uns liegen­den 23 Monate wer­den heiße Wahlkampf­monate. Bun­destagswahlen, Kom­mu­nal­wahlen, Europawahlen, Land­tagswahlen und einige Ober- und Bürg­er­meis­ter­wahlen liegen vor uns. Wir wer­den viel Kraft dafür brauchen. Bleiben wir uns treu und damit auch grund­sät­zlich den Wegen, auf denen wir doch einige dauer­hafte Erfolge für unsere Partei und für die Men­schen im Land erzielt haben, dann braucht uns nicht bange sein.
Lasst uns gemein­sam die Müt­ter und Väter des Erfol­gs sein!
Ich denke, wir sind uns darüber einig das Land und seine Men­schen brauchen mehr Gerechtigkeit und Sol­i­dar­ität. Dieses Land braucht eine Partei wie DIE LINKE!

Glück auf!