Vor 75 Jahren set­zte das faschis­tis­che Deutsch­land die Welt in Brand.

Vor 75 Jahren, das klingt vielle­icht für die jün­geren sehr lang her.
Und doch sind noch viele unter uns, die damals schon gelebt haben, die als Kinder, als Jugendliche oder auch als junge Erwach­sene den Krieg am eige­nen Leibe erlebt haben.
Die deutschen Nazis haben einen Krieg begonnen, der fast ganz Europa und große Teile der Welt in Schutt und Asche gelegt hat, durch den aber-Mil­lio­nen Men­schen getötet wur­den, der unsäglich­es Leid brachte.
Der durch Nazi-Deutsch­land gewollte und geführte 2. Weltkrieg war ver­bun­den mit dem Willen, die Zivil­i­sa­tion, wie wir sie wollen, zu zer­stören.
Nationaler Wahn, völkisches Über­legen­heits­denken und Weltherrschaftsstreben beschreiben dabei nur ungenü­gend den dama­li­gen Zivil­i­sa­tions­bruch. Denn es ging um Ver­nich­tung und Ver­sklavung aller, die nicht der her­beiphan­tasierten Her­ren­rasse ange­hörten.
Es ging um die Errich­tung ein­er Welt, in der auss­chließlich die Gewalt alle Ver­hält­nisse bes­tim­men sollte.

Die Ermor­dung der europäis­chen Juden und von Aber­mil­lio­nen Ange­höri­gen ander­er Men­schen­grup­pen wird und muss auf immer in das Gedächt­nis der Men­schheit einge­bran­nt bleiben.
Das bis dahin undenkbare Men­schheitsver­brechen wur­den durch Nazi-Deutsch­land mögliche.

Jed­er Tag der Befreiung, den wir bege­hen erin­nert uns deshalb immer vor allem an eine Auf­gabe, die unser täglich­es Han­deln bes­timmt, und diese Auf­gabe lautet: „Nie wieder Faschis­mus, nie wieder Krieg!“

Nazideutsch­land musste das Mord­w­erkzeug aus der Hand geschla­gen wer­den.
Der antifaschis­tis­che Wider­stand in Deutsch­land wurde bru­tal unter­drückt, die Wider­stand­skämpfer ermordet und eingek­erk­ert.
Deutsch­land war nicht in der Lage, aus eigen­er Kraft in den Kreis der Zivil­i­sa­tio­nen zurück­zukehren. Deshalb ist der Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 nicht nur dem Gedenken und dem Dank gewid­met.
Son­dern er ist auch die immer aktuelle Auf­forderung an alle, gegenüber men­schen­ver­ach­t­en­dem Denken, gegenüber Faschis­mus, Ras­sis­mus und Unter­drück­ung, gegen alte und neue Nazis nie wieder schwach zu sein.

Deshalb ist Antifaschis­mus für mich nicht nur auf Gedenk­tage beschränkt, son­dern All­t­ags­ge­bot. Er zeigt die Verbindung von Geschichte und Gegen­wart: Erst in der ver­gan­genen Woche habe ich in Plauen als ein­er von vie­len gegen einen Nazi­auf­marsch protestiert.

Wie immer ging es darum, die geisti­gen Söhne und Töchter der Ver­brech­er von damals nicht unwider­sprochen gewähren zu lassen. Wieder haben sie ver­sucht, die Ter­rorherrschaft ihrer Vor­bilder, deren irrsin­nige Men­schheitsver­brechen zu rel­a­tivieren, die Opfer zu ver­höh­nen, neuen Hass zu säen.
Dem zu wider­sprechen, das schulden wir nicht nur den Mil­lio­nen Toten. Wir schulden es auch allen, die unfass­bare Opfer gebracht haben, damit wir heute in ein­er Welt leben kön­nen, in der Faschis­ten zwar existieren, es aber schw­er haben, jemals wieder nen­nenswerte Macht zu errin­gen, zumin­d­est in den aller­meis­ten Natio­nen.

Die Befas­sung mit Geschichte muss von unten wach­sen, ist an erster Stelle Auf­gabe jed­er und jedes einzel­nen und nicht von staatlichen Stellen. Geschichts­bilder lassen sich nicht von oben verord­nen. Auch das ist eine der vie­len Lehren, die wir aus der Exis­tenz des Unrecht­sregimes ziehen müssen, dessen Nieder­schla­gung wir heute hier gedenken.
Trotz aller per­sön­lichen Ver­ar­beitung dessen, was war, muss das Geschehene als Mah­nung für Gegen­wart und Zukun­ft im kollek­tiv­en Gedächt­nis fest­ge­hal­ten wer­den.

Bei allen Kämpfen um die Deu­tung­shoheit über geschichtliche Prozesse, über Ver­brechen und seine Nieder­ringung ist eines sehr bedeut­sam:
Die Erin­nerung an die vie­len kaum oder nicht bekan­nten Einzelschick­sale, die in keinem Geschichts­buch ste­hen, die Erin­nerung an all die vie­len Men­schen in allen Lan­desteilen, die nicht geschwiegen, nicht pas­siv geblieben sind, son­dern Leben gerettet, sich eingemis­cht, ihren Teil dazu beige­tra­gen haben, den deutschen Faschis­mus zu bezwin­gen.

Im näch­sten Jahr wird das Kriegsende siebzig Jahre zurück­liegen, was uns uner­bit­tlich vor Augen führt: Die Zeitzeu­gen wer­den weniger, in nicht allzu fern­er Zukun­ft wird nie­mand mehr unter uns weilen, der die Gräuel erlebt hat. Umso wichtiger ist es, alle Chan­cen und Wege zu nutzen, um Erfahrun­gen und Berichte für die Nach­welt zu kon­servieren, um Schick­sale aufzuk­lären. Das ist in der Tat eine staatliche, eine öffentliche Auf­gabe. Auf­grund des aktuellen Bezuges will ich nur ein Beispiel aus vie­len Pro­jek­ten und Ini­tia­tiv­en her­aus­greifen:

Die Doku­men­ta­tion­sstelle der Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten in Dres­den leis­tet im Auf­trag der Bun­desregierung ver­di­en­stvolle Forschungsar­beit zum Schick­sal sow­jetis­ch­er Kriegs­ge­fan­gener. Sie erteilt vor allem Fam­i­lien­ange­höri­gen, Fre­un­den und Wis­senschaftlern Auskun­ft zu Bürg­erin­nen und Bürg­ern der ehe­ma­li­gen Sow­je­tre­pub­liken, die in Gefan­genen­lagern und Arbeit­skom­man­dos in Sach­sen umgekom­men sind. Allerd­ings ist die Finanzierung dieses Pro­jek­tes nur bis zum Ende dieses Jahres gesichert. Das muss geän­dert wer­den, hier ist die Staat­sregierung gefragt – nicht zulet­zt im Inter­esse ein­er dauer­haften Ver­söh­nung sich ehe­mals feindlich gegenüber­ste­hen­der Natio­nen, meine Frak­tion wird dies noch in diesem Monat im Säch­sis­chen Land­tag the­ma­tisieren.

Ver­söh­nung – das bringt mich abschließend zum Brück­en­schlag ins Jet­zt, denn wer über Geschichte redet, sollte die Gegen­wart im Blick haben. Die Welt schaut auf die Ukraine. Die drama­tis­che Lage und der dort dro­hende Bürg­erkrieg zeigen, wie wichtig es ist, dass Staat­en und Inter­es­sen­grup­pen Kon­flik­te friedlich lösen kön­nen.

Wie so oft wer­den Par­al­le­len zur Ver­gan­gen­heit gezo­gen, ein­fache Feind­bilder bemüht.
Dabei sind die Kriege und Kon­flik­te von heute kom­plex und wer­den kom­plex­er, und es gibt nicht den „einen Ver­ant­wortlichen“.
Deshalb steigen auch die Anforderun­gen an Regierun­gen, die in der Ver­ant­wor­tung ste­hen, zur Deeskala­tion beizu­tra­gen. Die deutsche Regierung macht dabei eine über­aus schwache Fig­ur.

Ich wün­sche uns allen viel Kraft im weit­eren Kampf gegen jene, die den heuti­gen Tag nicht als Tag der Befreiung sehen, son­dern ihn zum Tag der Nieder­lage, vielle­icht sog­ar der Schande umdeuten wollen.
Und ich wün­sche Ihnen und uns allen dauer­haften Frieden.
Dafür gilt es zu kämpfen, an jedem Tag, auch heute.